Fachkommentar zu Fall des Monats 12/2020 KH-CIRS-Netz Deutschland Drucken
11.12.2020
Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland: Fall des Monats „Dezember 2020“: „Zeitverzögerung der ECMO Therapie“

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI)

Download Fachkommentar Fall-Nr. 216759 (PDF)

Autor: Prof. Dr. med. habil. Matthias Hübler in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI)


Diese Meldung demonstriert exemplarisch, dass für eine medizinische Versorgung mehr erforderlich ist als Sachverstand, Wissen und Können. Im Hintergrund arbeiten zahlreiche Personen, die wichtige Zuarbeit liefern, ohne die viele Therapien nicht möglich sind. In dem Fall führte eine Fehlbestellung zu einem verzögerten Beginn einer ECMO-Therapie. Mehrere Gründe werden implizit oder explizit als Erklärung angeführt:
  • Ungünstige Kennzeichnung des Materials durch den Hersteller (look-alike)
  • Nachlässigkeit bei der Bestellung (oder Unwissen, Ablenkung, etc.)
  • Auspacken und Einräumen durch keine Fachkräfte
  • Fehlende (nachträgliche) Beschriftung des Sets
  • Keine Kontrolle vor Öffnen des Verbrauchsmaterials (blindes Vertrauen)
Typisch an diesem Ereignis war, dass es nicht ein einzelner Fehler war, sondern eine Verkettung mehrerer. Entsprechend ist es nicht möglich (und auch nicht zielführend), einen „Schuldigen” zu identifizieren. Diese Intention liegt dem Melder wahrscheinlich fern, aber durch die Erwähnung von nicht-qualifiziertem Hilfspersonal bezieht er dennoch unbewusst Stellung. Es handelt sich hierbei aber um das schwächste Glied der Kette, welches aus unserer Sicht nicht zur Verantwortung gezogen werden sollte. Der Wunsch an den Hersteller, die unterschiedlichen Sets besser zu kennzeichnen, ist nachvollziehbar, wird aber kaum umgesetzt werden.

Der Fall verdeutlicht hingegen, wie wichtig es ist, wachsam zu sein, zu kontrollieren und nochmals zu kontrollieren. Der Ablauf der Ereignisse ist auch gut vorstellbar bei Medikamenten- oder Transfusionsverwechslungen. Bei der Verwendung von Verbrauchsmaterialien muss eine analoge Sorgfalt vorherrschen.

Der folgende Absatz ist vielleicht nur spekulativ: Vermutlich werden aus Kostengründen keine zusätzlichen Sets vorgehalten. Lagerung ist teuer und deshalb beobachten wir seit einigen Jahren eine Zunahme der Verhaltung von Medikamenten und Verbrauchsmaterialien nach dem just-in-time Prinzip. Es darf bezweifelt werden, dass ein solches Vorgehen medizinisch immer vertretbar ist. Ist eine ECMO indiziert, kann das Verstreichen von Zeit bis zum Beginn der Therapie das Outcome des betroffenen Patienten erheblich beeinflussen. Daher ist zu fordern, dass bei lebenswichtigen Medikamenten oder Verbrauchsmaterialien nicht das Prinzip just-in-time sondern as-fast-as-possible angewendet wird. Die Konsequenz wäre eine Erhöhung des Lagerbestands. Diese Möglichkeit sollte in dem meldenden Krankenhaus ernsthaft geprüft werden.

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