Fachkommentar zu Fall des Monats 07/2021 KH-CIRS-Netz Deutschland Drucken
05.07.2021

 

Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland: Fall des Monats „Juli 2021“: „Prüfung und Information des Labors zu den immunhämatologischen Befunden“

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI)

Download Fachkommentar Fall-Nr. 223834 (PDF)


Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI)


Problemanalyse
Eine Schwangere hat bekannte Allo-Antikörper, die im Mutterpass eingetragen wurden. Die Angaben des Mutterpasses, Blutgruppen und Antikörperkonstellation sind dazu gedacht, bei allen Interventionen Schaden von Mutter und Kind abzuwenden. Ob allerdings bei einer wie in diesem Bericht erwähnten Maßnahme zur „Diagnostik/Therapie” eine relevante Interventionsgefahr existiert, ist nicht aus der Meldung zu entnehmen, da die Schwangerschaftswoche nicht erwähnt ist. Die Anwesenheit des Anästhesisten spricht allerdings dafür. Eine Notsectio wird vom meldenden Personal erwähnt und scheint daher ein mögliches Risiko in dieser Situation.

Entstünden der Mutter und/oder dem Kind bei einer notwendigen Transfusionssituation oder einem feto-maternalen Blutübertritt immunologische oder andere Folgeschäden, sind relevante Haftungsrisiken für die Unterlassung der bereits bekannten Antikörperkonstellation anzunehmen. Diesbezüglich gelten in Deutschland die Hämotherapie-Richtlinie [1] und die
Mutterschaftsrichtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses GBA [2]. Bekannte und im Ausweis vorliegende Angaben nicht zu berücksichtigen und nicht zu bewerten sind deshalb im Gutachtenfall als grob fahrlässig zu bewerten, weil genau das nach der Zweckbestimmung der Mutterschafts-Richtlinien als präventive Maßnahme gefordert wird.

Auch wenn für die geplante Intervention keine Konserven vorbestellt werden und wahrscheinlich nötig werden, sind die zu prüfenden Angaben des Mutterpasses essentiell für die möglicherweise erheblich erschwerte Logistik. Eine Vorwarnung und Kommunikation mit dem immunhämatologischen Labor bzw. der Blutbank in dieser Einrichtung ist bei noch so geringem Blutungs-/Transfusionsrisiko ratsam. Es sollte also immer vorher geklärt werden,
  • welche Blutgruppe die Mutter hat und ob bei einer Notsectio genügend in Reserve vorhanden ist,
  • welchen Allo-Antikörper die Mutter hat und ob bei einer Notsectio genügend in Reserve vorhanden ist oder zeitnah beschafft werden kann,
  • ob der Antikörper in Bezug auf die bei einer Intervention eintretende feto-maternale Transfusion mit nochmaliger Immunisierung und Boosterung bei der Indikationsstellung berücksichtigt worden ist und
  • ob für das Kind eventuell ein Transfusionsbedarf besteht und ob die Klinik schnellen Zugriff auf diese ausgewählten Konserven hat, bzw. eine intrauterine Austauschtransfusion notwendig sein könnte.
Die Situation wäre bei einer Anti-D oder Anti-Kell nicht ganz so kritisch und könnte in den meisten Einrichtungen zufriedenstellend beantwortet werden. Eine andere Lage wäre bei anderen Antikörpern - wie zum Beispiel bei Anti-Duffy (Fy) – Kidd (JK) -AntiS und anti-S u.a.m - gegeben, da hier je nach Klinik und versorgendem Blutspendedienst durchaus
signifikante Konservenbereitstellungsfristen anfallen könnten.

In Anbetracht der zu treffenden Vorbereitung auf einen solchen Eingriff, ist also das Risiko für Mutter und Kind leicht zu minimieren. Dies kann einfach durch eine strukturierte und eingeübte Routine bei der Planung der Diagnostik/Intervention (siehe Vorschlag für eine Checkliste [3]) in Analogie zu einer von der WHO und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie [4] geschehen. Diese sollte von Seiten der Station, Kreißsaal oder Ambulanz obligat für alle Patienten benutzt werden. Alternativ sind auch bei weitgehender oder geplanter Digitalisierung des Krankenhauses elektronische Lösungen, wie vom jüngsten Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) vom 29.10.2020 [5] durch das Bundesgesundheitsministerium gefördert, anstrebenswert.

In der Anästhesie sollte ein Bekanntwerden von existierenden Antikörpern im Mutterpass einer zu betreuenden Patientin immer Aufmerksamkeit und Wachsamkeit auslösen. Entsprechende Fortbildungsreihen zu diesem Thema oder Rotations-/Hospitationskonzepte in das immunhämatologische Labor sind zur Wissensvermittlung am besten geeignet.

Prozessqualität:
  1. SOP/VA – Geburten-Station, Kreißsaal, Anästhesie: Vorbereitung von Interventionen bei Schwangeren mit bekannten Allo-Antikörpern anhand der Checkliste
  2. Fortbildung – Ärzte, Pflege, Hebammen, Geburtshilfe und Anästhesie: Besondere Konstellationen und Blutgruppenantigene in der Geburtshilfe
  3. M&M-Konferenz zum Fall
  4. Meldung an die Transfusionskommission

Strukturqualität:
  1. Ärztlicher Direktor und Transfusionsverantwortlicher: Einrichtung einer Fortbildungsreihe für alle Mitarbeiter zur Richtlinie bzw. den Querschnittsleitlinien Hämotherapie
  2. Anästhesieabteilung: Rotationskonzept für Assistenzärzte ins immunhämatologische Labor
  3. GF-Information und Beratung zur Investition/Projektplanung eines digital und scannerbasierten Sicherheitskonzepts zur Patientenidentifikation vor Eingriffen und Arzneimittelverabreichung unter Nutzung der Förderungsmöglichkeiten durch das BGM nach KHZG [5]

Literatur:

- Mutterpass vorhanden?
- Mutter Rhesus negativ?
- Mutter Allo-Antikörper?
- Welcher Allo-Antikörper?
- Besteht davon ausgehend ein Bereitstellungsproblem oder ein erhöhtes Risiko für Mutter und Kind?

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