Fachkommentar zu Fall Nr. 241435 KH-CIRS-Netz Deutschland Drucken
06.02.2023
KH-CIRS-Netz Deutschland: Fall Nr. 241435: „Verspätete EK-Gabe“

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI)

Download Fachkommentar Fall-Nr. 241435 (PDF)

Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI)

Problemanalyse

Es sind in diesem Bericht mehrere problematische Aspekte:
  • Die verzögerte Transfusion:Gemäß Richtlinie Hämotherapie ([1]) soll die Transfusion der Blutkonserve auf Station ohne sonderlich großen Verzug erfolgen. Wortwörtlich ist aber die „unverzügliche” Gabe nur bei Thrombozytenkonzentratenund Granulozytenkonzentraten erwähnt, wohl um eine nicht immer zu vermeidende bakterielle Proliferation in Grenzen zu halten. Da bei Erythrozytenkonzentraten die Gefahr der Übertragung relevanter Mengen an Erregern deutlich geringer ist, wohl wegen der Lagerungsfähigkeit bei 4°C (bei Kühlschranktemperatur können sich außer Yersinien kaum vorher im Blut enthaltene Erreger vermehren), findet sich bei EKs nur der Hinweis, dass sie nach Entnahme aus der Kühlkette maximal 6h bei Raumluft gelagert werden dürfen. Diesbezüglich ist die Verzögerung in diesem Fall also ärgerlich, aber kein eigentlicher Richtlinienverstoß. Insbesondere wenn es für diese Aufgabe nur den einen Dienstarzt gibt, der zudem noch andere Aufgaben hatte. Allerdings gibt es mit der Aufforderung in der Richtlinie und den Querschnittsleitlinien 2020 [2] nach restriktiver Indikationsstellung immer weniger Toleranz für Wartezeiten, wenn die Indikation nicht nur eine Korrektur der nicht alleine heranzuziehenden Hämoglobinkonzentration sein soll, sondern in weiten Bereichen von Ischämiesymptomatik begleitet ist. Deshalb ist die Meldung voll und ganz berechtigt und der Missstand in dieser Einrichtung muss beseitigt werden.
  • Die Anordnung einer Doppeleinheitvon EKs ist meist nicht indiziert und im Falle einer elektiven Gabe über Nacht beim kreislaufstabilen, nicht aktiv blutenden Patienten ohne Laborkontrolle und erneuter Anforderung der zweiten Konserve als Übertransfusion zu werten. Die Überdosierung von Blutkonserven ist eines der häufigsten Transfusionszwischenfälle mit Todesfolge nach dem aktuellen SHOT-Register in der UK [3]. Zumal sind die weiteren Transfusionsrisiken mit Verdoppelung der Dosis ebenfalls vermehrt [4], weshalb die internationale Gesellschaft für Bluttransfusion ISBT eine Empfehlung zur Vermeidung herausgegeben hat [5].
  • Die nächtliche Verabreichung von Blutproduktenist unzweifelhaft risikobehaftet. Die Überwachung und Reaktion bei Transfusionsreaktionen ist wegen der nächtlich schmalen Personaldecke eingeschränkt. Deshalb sollten elektive Transfusionen tagsüber in der Routinedienstzeit erfolgen.
  • Die Kommunikation zwischen Pflege und Ärztlichem Personal:Die Formulierung der Meldung legt nahe, dass die mehrfache Erinnerung einigen Ärger und Spannungen im Team verursacht hat. Die nicht genutzte Unterstützung durch den Hintergrund fand in Anbetracht der notwendigen Erinnerungen und den Unannehmlichkeiten für den Patienten (Warum mehrfach wecken?) kein Verständnis beim Team. Das könnte darauf hinweisen, dass der Teamgeist, das gegenseitige Verständnis und die Schwelle, Unterstützung anzufordern, verbessert werden könnte.
  • Personalmangel, Arbeitsbelastung etc.: Der/die Meldende erwähnt diese Faktoren, die genauer auf ihr Verbesserungspotenzial untersucht werden sollten. Oftmals sind die Arbeitsabläufe noch zu optimieren, bevor die Personaldecke verstärkt werden muss.

Prozessqualität
  1. Fortbildung – alle Mitarbeiter: Richt- und Leitliniengetreue Indikationsstellung, Dosierung und Vermeidung von Übertransfusion und Komplikationen
  2. SOP/VA – alle Ärzte und Aktualisierung des Qualitätshandbuchs Transfusion/Hämotherapie: Strenge Indikationsstellung gemäß Querschnittsleitlinien und unverzügliche Verabreichung von zellulären Blutprodukten, Vermeidung der Bluttransfusion im Bereitschaftsdienst
  3. M&M-Konferenz zum Fall
  4. Meldung an die Transfusionskommission

Strukturqualität
  1. TV, Ärztlicher Direktor ÄD, Geschäftsführer GF und PDL: Berufsgruppenübergreifendes Kommunikations- und Teamtraining
  2. GF, ÄD und PDL: Überprüfung der Personaldecke und Arbeitsaufläufe im Bereitschaftsdienst

Literatur

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