Fachkommentar zu Fall des Monats 2/2024 KH-CIRS-Netz Deutschland Drucken
02.02.2024

Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland: Fall des Monats „Februar 2024" (2): „Kontrolle über Einwilligung unmittelbar vor EK-Gabe durch Transfundierenden“

Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI)

Download Fachkommentar Fall-Nr. 259459 (PDF)


Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI)


Problemanalyse
Die Übermittlung der wichtigen Information, dass eine Transfusion nicht gewünscht wird, erscheint nur im ersten Blick trivial. Im Krankenhaus ist der Behandlungsablauf typischerweise über viele Personen fragmentiert. Dies führt zu typischen Schnittstellenproblemen und der Möglichkeit des Informationsverlustes.

Die Stichwort-Schilderung lässt eine exakte Erfassung der Situationsproblematik kaum zu. Die angesprochenen Probleme sind aber vermutlich die Folgenden:
  1. Die unzureichende Kommunikation und Markierung des Patientenwillens bezüglich der Behandlung mit Blutprodukten im interdisziplinären Behandlungs-Team bzw. in der Einrichtung
  2. Die mangelnde interdisziplinäre Aufgabenteilung und gegenseitige Regelung von Verantwortlichkeit hinsichtlich der Aufklärung, Verabreichung und Organisation bei der perioperativen Bluttransfusion. Vermutlich ist die Vereinbarung zur Zusammenarbeit bei der Bluttransfusion der Fachgesellschaften von Chirurgie und Anästhesiologie [1] unbekannt.
Es kann nur vermutet werden, dass der Chirurg nicht über Transfusionen aufgeklärt hat; dass ein eigenes Aufklärungsformular für die Transfusion nicht existiert; dass die Haltung gepflegt wird, dass der Anästhesist für den perioperativen Zeitraum zuständig ist; dass hier die Information der Transfusionsverweigerung durch den Patienten aus der anästhesiologischen Aufklärung nicht zusätzlich mündlich weitergegeben wurde (inner- und interdisziplinär). Die erwähnte Verunsicherung des Patienten mag durch die nicht allseits bekannte Transfusionsverweigerung erwachsen.

Wenn Patienten aus verschiedensten Gründen wie z. B. die Verweigerung der Zusage zur Transfusion aus religiösen Gründen, das Vorliegen einer schwierigen Antikörperkonstellation oder zu befürchtende Unverträglichkeiten o. ä. keine Blutkonserven erhalten können, so sollte erstens die Tatsache klar markiert und für alle im Krankenhaus ersichtlich sein und zweitens Maßnahmen vorgehalten werden, die ein lebensbedrohliches Risiko bei großen Blutverlusten abwenden. Das kann die maschinelle Autotransfusion MAT (falls akzeptiert), die Sauerstoff-Highflow-Therapie oder eine intensivmedizinische Überwachung der Anämie o.ä. sein. Das soll vorgehalten und eingeübt sein. Darum ist es wichtig, dass die Information alle Verantwortlichen erreicht. Die Forderung der/s Meldenden der mündlichen Informationsweitergabe führt zu einem fehleranfälligen Prozess, wenn es keine vorbereitende Besprechung zu den Fällen gibt.

Neben technisch ausgefeilten Lösungsmöglichkeiten gibt es eine wenig fehleranfällige und sehr einfache Lösung. Solange eine Papierakte die Therapie begleitet, könnte das Problem mit einem Aufkleber oder auch (zum Beispiel im System von Hinz o.ä.) mit einem besonderen Reiter der Stationsakte gelöst werden. Diese Markierung kann natürlich immer noch übersehen werden.

Weitere technische Lösungsmöglichkeiten entsprechen dem technischen Standard der meisten Häuser und auch den Erwartungen nach zunehmender Digitalisierung im Gesundheitswesen:

Eine zentrale, für alle Behandelnden einsehbare, einmalig für alle Abteilungen durchgeführte und deshalb zeitsparende Anamnese könnte elektronisch im Krankenhausinformationssystem (KIS) hinterlegt werden. Dabei könnten auch Allergien, Transfusionsprobleme, Antikörperkonstellationen etc. als wichtige Besonderheiten hinterlegt werden. Diese würden für jeden Behandler ersichtlich so gestaltet sein, dass sie unbedingt bemerkt und eventuell sogar bewusst bestätigt werden müssten. Vermutlich bestand diese Möglichkeit in dem meldenden Haus nicht.

Prozessqualität
  1. Fortbildung – alle Ärzte, Chirurgie & Anästhesie: Praktische Bedeutung der Vereinbarung zur Zusammenarbeit bei der Bluttransfusion
  2. SOP/VA – alle Therapeuten: Umgang mit Zeugen Jehovah, Patienten mit eingeschränkter oder unmöglicher Versorgung mit Blutkonserven z.B. schwieriger Antikörperkonstellation etc.
  3. Meldung an die Transfusionskommission

Strukturqualität
  1. ÄD, PDL: Markierung der Krankenakten mit deutlich sichtbaren Post-it oder ähnlichem zur deutlichen unübersehbaren Markierung der Besonderheiten
  2. IT, GF, TV und ÄD: Einführung eines KIS mit zentraler elektronischer Anamnese

Literatur
Häufig verwendete Abkürzungen:
ÄD Ärztliche/r Direktor/in
EK Erythrozytenkonzentrat
GF Geschäftsführer/in
IT Informationstechnik/er
KIS Krankenhausinformationssystem
MAT Maschinelle Autotransfusion
OP Operationssaal
PDL Pflegedienstleitung
SOP Standard Operating Procedure
TK Thrombozytenkonzentrat
TV Transfusionsverantwortliche/r
VA Verfahrensanweisung

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