Fall des Monats Januar 2012 Drucken
21.03.2012

CIRSmedical Anästhesiologie - Berichten und Lernen

Umgang mit Patienteneigentum gegenüber Patientenangehörigen?

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Der Fall:
(Aus Gründen der Anonymität wird im Folgenden bei Personen stets die männliche Bezeichnung verwendet.)
Umgang mit Patienteneigentum gegenüber Patientenangehörigen?

Wo ist das Ereignis eingetreten?
Krankenhaus / ITS/IMC

Fachgebiet:
Intensivmedizin

Tag des berichteten Ereignisses:
Wochentag

Wichtige Begleitumstände:
Pflegt Enkelkind zu Hause, hat 2 Söhne

Fallbeschreibung:

Patient mit exacerbierter COPD wurde intubationspflichtig und beatmungspflichtig. Der Patient ist seit ein paar Tagen beatmet und der Zustand ist immer noch ernsthaft. Zu Besuch ist einer der Söhne gekommen und verlangte vom diensthabenden Arzt den Geldbeutel des Patienten. Das Gespräch verlief problemlos. Der Arzt hat den Geldbeutel nicht herausgegeben mit der Begründung, dass der Sohn weder der Bevollmächtigte noch der Betreuer sei. Am nächsten Tag hat der Stationsarzt eine Betreuung eingereicht und wegen der Betreuung des Enkelkindes durch den Patienten mit dem Jugendamt gesprochen. Im Gespräch stellte sich heraus, dass die Beziehung zwischen dem Patient und den beiden Söhnen ziemlich gestört ist und beide Söhne Alkoholiker sind. Hat der Arzt richtig gehandelt?

 

Häufigkeit des Ereignisses?
Nur dieses mal

Wer berichtet?
Ärztin / Arzt

Berufserfahrung:
über 5 Jahre

Die Analyse aus der Sicht des Anästhesisten
Die vorliegende Meldung befasst sich mit einem sehr interessanten und vielschichtigen Thema, mit dem sich jeder Arzt auseinandersetzen sollte. Im Gegensatz zu den niedergelassenen Kollegen die hausärztlich tätig sind und meist auf ein über viele Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, aufgebautes Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten blicken können, ist dies einem im Schichtdienst tätigen jungen Stationsarzt natürlich unmöglich. Gerade die sozialen und privaten Verhältnisse der Patienten sind nach einem wenige Tage bestehenden Arzt-Patienten-Verhältnis häufig undurchschaubar. So eignet sich diese Meldung bzgl. der geforderten Herausgabe von Privateigentum eines Patienten an dessen Sohn hervorragend dieses Spannungsverhältnis aus Sicht eines Juristen zu beleuchten (s. u.).

Dennoch möchte auch ich ein paar Zeilen aus ärztlicher Sicht beisteuern. Beim ersten Lesen der Meldung neigt der Analysierer dazu sich selbst an die Nase zu fassen, denn vermutlich hätte er im hektischen Alltag der Intensivmedizin dem Angehörigen die privaten Dinge ausgehändigt. Schließlich ist es der Sohn.... Hier wird uns erneut gezeigt, dass es neben all der Überwachung von Apparaten, Medikationen, Vitalparametern etc. weiterhin ärztliche bzw. intensivmedizinsiche Aufgabe und Verpflichtung bleibt, sich mit dem Patienten zu befassen. Und dies beinhaltet eben immer wieder auch seinen sozialen und familiären Hintergrund. All diese Faktoren sind letztlich von nicht unerheblicher Bedeutung, wenn es darum geht den mutmaßlichen Willen eines analgosedierten, kritisch kranken Patienten zu ermitteln. Es wird kaum möglich sein abzuschätzen bei wie vielen Patienten „im Einvernehmen und nach eingehender Beratung mit den Angehörigen“ eine Therapie beendet wurde und der Patient dem schicksalhaften Verlauf seiner Erkrankung überlassen wurde, obwohl dies nicht der Wille des Patienten gewesen wäre. Um allerdings die Frage des Melders zu beantworten, ob der Arzt letztlich richtig gehandelt habe, bedarf es der abschließenden Analyse eines Juristen.

Die Analyse aus Sicht des Juristen

Der Fall spiegelt Aspekte der Aufgaben eines Krankenhausträgers wider, die über den Bereich der medizinischen Versorgung des Patienten hinausgehen. Es ist unstreitig, dass es auch zu den Organisationsaufgaben des Krankenhausträgers gehört, vom Patienten ins Krankenhaus eingebrachtes Eigentum zu sichern und zu schützen. Eine solche Sicherungs- und Verwahrungsverpflichtung wird im Allgemeinen als vertragliche Nebenpflicht des mit dem Patienten geschlossenen Krankenhausaufnahmevertrages betrachtet. Das Krankenhaus muss sicherstellen, dass Wert- und sonstige Gegenstände des Patienten entweder von diesem selbst oder, wenn dies nicht möglich ist, durch die Mitarbeiter des Krankenhauses, insbesondere durch die Verwaltung, ordnungsgemäß verwahrt und z.B. auch vor Diebstählen gesichert werden.

Ärzte und Pflegekräfte sind im Rahmen der medizinischen Versorgung des Patienten in diese Pflichten mit eingebunden, und haben die vom Patienten eingebrachten Gegenstände soweit es ihnen möglich und zumutbar ist, zu sichern und zu schützen. Gegenstände, die der Patient in das Krankenhaus eingebracht hat und die insoweit zumindest in seinem Besitz stehen, dürfen nur im Einvernehmen mit dem Patienten, bei entscheidungsunfähigen Patienten dann herausgegeben werden, wenn dies im mutmaßlichen Willen des Patienten liegt. Im Übrigen dürfen eingebrachte Gegenstände an einen Bevollmächtigten oder Betreuer nur übergeben werden, wenn sich die Bevollmächtigung/Betreuung über die Gesundheitsfürsorge hinaus gerade auch auf diese Sachverhalte, z.B. die Vermögenssorge, bezieht.

Mögliche sonstige zivilrechtliche Herausgabeansprüche dritter Personen werden in der Regel weder das Krankenhaus, erst recht nicht die in die Behandlung eingebundenen ärztlichen und nicht ärztlichen Mitarbeiter abschließend beurteilen können. Fazit: Die eingebrachten Gegenstände des Patienten, insbesondere Geld- und Wertsachen sind zu schützen und zu verwahren und nur dann herauszugeben, wenn der Patient in die Herausgabe eingewilligt hat oder an einen Bevollmächtigten/Betreuer, soweit zu deren Aufgabenkreis auch die Vermögenssorge gehört. Sonstige Dritte, seien es Angehörige oder andere Personen, mögen ihre behaupteten Herausgabeansprüche auf dem Zivilrechtsweg klären lassen.

Der Arzt hat also richtig gehandelt.


 

Take-Home-Message

  1. Gewissenhafte Dokumentation des in die Klinik eingebrachten Patientenei-
    gentums auf standardisierten Formularen
  2. Der Intensivpatient besteht aus deutlich mehr als Monitor, Perfusoren und Beatmungsgerät
  3. Herausgabe von Patienteneigentum nur dann, wenn der Patient mit der Her-
    ausgabe einverstanden ist oder an Bevollmächtigte/Betreuer, wenn sich die Vollmacht/Betreuung gerade auch auf die Vermögenssorge erstreckt.

Autoren:
Autoren: Dr. P. Frank, Anästhesiologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen
Dr. iur. E. Biermann, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Prof. Dr. med. A. Schleppers, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Ass. iur. E. Weis, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Dipl.-Sozialw. T. Dichtjar, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Dr. M. St.Pierre, Anästhesiologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen


 

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