Fall des Monats Januar 2014 Drucken
17.02.2014

CIRSmedical Anästhesiologie - Berichten und Lernen

Klebeelektroden des AED passen nicht

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Der Fall:
(Aus Gründen der Anonymität wird im Folgenden bei Personen stets die männliche Bezeichnung verwendet.)
Klebeelektroden des AED passen nicht
 
Wo ist das Ereignis eingetreten?
Krankenhaus - Normalstation

Tag des berichteten Ereignisses:
Wochentag

Versorgungsart:
Notfall

Patientenzustand:
reanimationspflichtig

ASA-Klassifizierung:
ASA III

Fallbeschreibung:
Reanimation eingeleitet, im Verlauf Anlage der AED-Paddels. Allerdings war eine Konnektion der Klebepaddels mit dem Gerät nicht möglich, da die Stecker nicht passten.

 

Was war besonders gut?
Es gab einen AED auf Station. Zweiter funktionsfähiger AED kam mit Reanimationsteam, allerdings erst nach einigen Minuten.

 

Häufigkeit des Ereignisses?
erstmalig

Wer berichtet?
Ärztin/Arzt

Die Analyse aus Sicht des Anästhesisten

Der Fall scheint auf den ersten Blick wenig spektakulär, aber er thematisiert ein Problem, welches typisch ist, bei dem mögliche Lösungsstrategien offensichtlich sind, welches aber in vielen Krankenhäusern vernachlässigt wird: Die Organisation und Qualität der innerklinischen Notfallversorgung. Im Jahre 2009 wurde im Deutschen Ärzteblatt das Ergebnis einer Umfrage mit dem Titel „Herz- Kreislauf-Stillstand: Wer reanimiert und wie wird trainiert?“ veröffentlicht [1]. Angeschrieben wurden 440 Krankenhäuser mit mehr als 300 Betten in Deutschland, Österreich und Schweiz. Die Rücklaufquote betrug lediglich 38%, so dass von einer erheblichen Bias auszugehen ist. 92% der Kliniken gaben an, ein Notfallteam vorzuhalten. Bitter sind die Ergebnisse bezüglich des Trainings: 39% der Krankenhäuser schickten ihre Mitarbeiter ohne spezielle Schulung zu den innerklinischen Notfällen. Gleichzeitig gaben aber auch 39% an, in den letzten 10 Tagen an einer innerklinischen Reanimation teilgenommen zu haben. Zugegeben, die Befragung ist nicht brandaktuell, aber nur große Optimisten werden behaupten, dass sich seitdem etwas grundlegend geändert hat.

Notfalleinsätze – und hier insbesondere Reanimationen – sind zeitkritische Ereignisse, die bekanntermaßen besonders fehleranfällig sind. Patienten, die reanimiert werden müssen, haben eine schlechte Prognose. Die Prognose verschlechtert sich noch einmal deutlich, wenn nicht alles perfekt abläuft und z.B. die Herzdruckmassage zu lange und zu häufig unterbrochen wird [2]. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist der Beginn der Reanimationsmaßnahmen: Ein zögerndes Handeln von Ersthelfern, die den Zeitraum bis zum Eintreffen des Reanimationsteams überbrücken müssen, ist fatal. Ein Alleinstellungsmerkmal von Reanimationen ist, dass es kaum eine medizinische Maßnahme gibt, die so standardisiert ist und bei der uns ein einfacher Algorithmus zur Verfügung steht, der aber trainiert werden muss.

Patienten, die sich ins Krankenhaus begeben müssen, erwarten, dass die Qualität der Versorgung hoch ist. Die Erwartungshaltung ist richtig, aber werden wir ihr – im Falle der Reanimation – immer gerecht? Eine einfache Freitextsuche in der öffentlichen Datenbank von CIRS-AINS mit dem Suchbegriff „Reanimation“ lässt dies bezweifeln. Tab. 1 fasst die Ergebnisse zusammen. Das einzige Kriterium, das angewandt wurde, um die Fälle auszuwählen, war der Titel (Die einzige Ausnahme war Fall 1115: Hier wurde auch der Freitext gelesen). Die Suche führte zu 30 Treffern – den Fall, der zum Anlass für diesen Fall des Monats genommen wurde, nicht mitgerechnet. Ein detailliertes Lesen aller Freitexte würde die Trefferquote sicher noch weiter erhöhen.
 

Tab. 1 Beispiele für Probleme bei Reanimationssituationen aus CIRS-AINS
Fall-Nr. Titel
103544 Kein Teamleader bei einer Reanimationssituation
103689
Insuffiziente Versorgung eines Notfallpatienten durch erstbehandelnden Arzt
101852
Aufgrund ausgetrockneter EKG-Elektroden keine EKG Ableitung in Reanimationssituation möglich
90283 Ausstattung des Notfallteams
90134
Ein als geladen getesteter AED zeigt plötzlich niedrige Akkukapazität
an
72269 Sauerstoffflasche durch voll geöffnete Insufflationseinrichtung entleert
56343
Fehlerhaft zusammengebauter Beatmungsbeutel verhindert suffiziente
Ventilation
38133
Vorbestehend defekter Beatmungsbeutel fällt bei Transport unter CPR
aus
36590 Mangelnde Personalressourcen im Reanimationsteam
33575
Verzögerung der endotrachealen Intubation bei Neugeborenenreanimation durch defektes Laryngoskop
33486
Schutzkappe auf der Batterie verhindert Funktionsfähigkeit des externen Schrittmachers
33288 Versehentliche Defibrillation während einer Reanimation
30503
Defibrillator ist nicht in der Ladestation und muss erst lange gesucht werden.
29533
Probleme bei der Bereitstellung von Adrenalinampullen während Reanimation im Herzkatheterlabor
28799
Nach erfolgreicher Intubation bei Reanimation lässt sich der Führungsdraht
nicht entfernen
27557
EKG-Diagnose durch falsche Elektrodenplatzierung während Reanimation
unmöglich
19139
Notfallbeatmungseinheit wird ungeordnet und ungereinigt zur weiteren
Verwendung abgestellt
16810 Suboptimale Versorgung eines Notfallpatienten durch Herzteam
15575
Defibrillator verzögert die manuelle Schockabgabe, weil er auf den halbautomatischen Modus eingestellt ist
13134 Succinylcholin fehlt sowohl im Notfallwagen als auch in der Reanimationstasche
3184 Reanimation auf Allgemeinstation – Notfallkoffer war nicht vollständig
3022
Innerklinischer Notfall: Intubationszwischenfall – nicht ausreichend qualifiziertes Notfallteam
2945 Fehlkonnektion des Notfallrespirators
2671 Notfallkoffer wird verwechselt
2590 AED funktioniert nicht
2513 Bedienungsprobleme eines Defibrillators
2375 Notfallkoffer ohne funktionierendes Laryngoskop
2084 Zwei Pflegekräfte konnten Defi in Notfallsituation nicht bedienen
1742 Reanimationseinsatz mit defektem Defibrillator
1115 Reanimation auf peripherer Station


Relativ häufig werden technische Probleme genannt, aber hinter diesen verstecken sich stets Anwender- oder Bedienfehler. Man kann die aufgeführten Schwierigkeiten auch wie folgt zusammenfassen:
 

  • Notfallequipment unvollständig
  • Notfallequipment nicht einsetzbar (siehe Text dieses Falls des Monats)
  • Notfallequipment falsch bedient
  • Erstmaßnahmen unzureichend
  • Notfallteam oder Ersthelfer unzureichend qualifiziert, bzw. Chaos bei der Reanimation


Dem Einzelnen kann man wahrscheinlich keinen Vorwurf machen, denn es handelt sich um eine klare Aufgabe des Organisationsverantwortlichen (Chefarzt oder Klinikleitung), den oft zitierten Facharztstandard gemäß §630a Absatz 2 BGB sicher zu stellen. Deutschland ist bezüglich der Ausbildung von Krankenhauspersonal in der Reanimation kein Vorbild. Während z.B. in der Schweiz im Weiterbildungsprogramm für den Facharzt für Anästhesiologie der Nachweis eines mindestens 2-tägigen Kurses in Notfallmedizin nachgewiesen werden muss, kann man in Deutschland den Facharzt erwerben, ohne je einen Reanimationskurs besucht zu haben. Beispielhaft sind hier die Verhältnisse im angloamerikanischen Raum, wo regelmäßige Auffrischungskurse gefordert werden [3].

Diese Kurzanalyse soll Sie stimulieren, die Notfallversorgung in Ihrem Krankenhaus einmal kritisch zu betrachten. Hier einige Tipps, die Ihnen als Anregungen dienen sollen:

 

  • Benennung einer verantwortlichen Person (und Stellvertreter) auf jeder Station für die Notfallausstattung.
  • Benennung einer verantwortlichen Person (und Stellvertreter) verantwortlich für die Notfallausstattung des Reanimationsteams.
  • Standardisierte Ausstattung aller Notfallkoffer auf den Stationen. Dies sollte im Idealfall in enger Zusammenarbeit mit der Klinikapotheke erfolgen, die Listen über die Haltbarkeit der Medikamente führen und bei Bedarf den Austausch organisieren kann. Es empfiehlt sich, die Notfallkoffer mit einer Plombe versehen (ähnlich wie die Siebe im OP-Bereich), um schnell sehen zu können, ob sie benutzt wurden.
  • Etablierung eines wöchentlichen Checks des Notfallequipments durch die Verantwortlichen. Die Überprüfung sollte mit Hilfe einer Checkliste erfolgen. Dabei wird natürlich auch der AED mit Zubehör überprüft. Über die Zeitpunkte der Überprüfung (z.B. immer montags) sollte ein Protokollbuch geführt werden. Die Überprüfung muss natürlich auch nach jeder Verwendung erfolgen.
  • Eindeutige Kennzeichnung des Standorts des Notfallequipments auf den Stationen z.B. durch übliche internationale Symbolschilder.
  • Regelmäßige Schulung der Mitarbeiter, die am Reanimationsdienst teilnehmen, im Advanced Life Support gemäß den aktuellen Leitlinien.
  • Regelmäßige Schulung aller sonstigen Mitarbeiter im Krankenhaus (Ärzte und Pflegekräfte) im Basic Life Support und in der Bedienung und Verwendung der AEDs.
Die Umsetzung der letztgenannten Maßnahmen kann schwierig werden, ist aber essentiell. Die Erfahrung zeigt, dass die Hemmschwelle auf den Stationen mit einer Reanimation zu beginnen sinkt. Entsprechend kommt es zu einer Reduktion der no-flow Zeiten bei Reanimationen – ein wesentliches Kriterium für den Erfolg und den neurologischen Outcome.
Neben diesen Maßnahmen ist es sinnvoll, sich am Reanimationsregister der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten e.V. (BDA) und des Deutschen Rats für Wiederbelebung e.V. (GRC) zu beteiligen [4]. Man wird gezwungen, eine saubere Datenerhebung durchzuführen und kann über Benchmarking und Veränderungen über die Zeit erfahren, wie effektiv die Maßnahmen waren. Die Webseite des Deutschen Reanimationsregisters enthält wertvolle Informationen und weitere Tipps zur Organisation der Behandlung innerklinischer Notfälle.
 

Take-Home-Message

  • Reanimationen sind zeitkritische Ereignisse, die besonders fehleranfällig sind.
  • Deshalb ist es besonders wichtig, dass das Notfallequipment einsatzfähig ist und alle mit der Handhabung vertraut sind.
  • Bei Reanimationen ist Facharztstandard sicher zu stellen. Das Notfallteam sollte daher in regelmäßigen Abständen eine Schulung erhalten.
  • Daneben ist eine Schulung von Mitarbeitern des Krankenhauses, die nicht Teil des Notfallteams sind aber die Erstversorgung durchführen, empfehlenswert.
  • Eine regelmäßige Auswertung der Reanimationseinsätze und Teilnahme am Reanimationsregister ermöglicht eine Qualitätskontrolle.


Weiterführende Literatur:
  • [1] Siebig S, Kues S, Klebl F, Brünnler T, Rockmann F, Schölmerich J, Langgartner J. Herz-Kreislauf-Stillstand: Wer reanimiert und wie wird trainiert? Dtsch Arztebl Int 2009; 06: 65-70
  • [2] Berg RA, Sanders AB, Kern KB, Hilwig RW, Heidenreich JW, Porter ME, et. Al. Adverse Hemodynamic effects of interrupting chest compressions for rescue breathing during cardiopulmonary resuscitation for ventricular fibrillation cardiac arrest. Circulaton 2001; 104: 2465-70
  • [3] Cardiopulmonary resuscitation – Standards for clinical practice and training. A Joint Statement from the Royal College of Anaesthetists, the Royal College of Physicians of London, the Intensive Care Society, the resuscitation council. http://www.resus.org.uk/pages/standard.pdf
  • [4] http://www.reanimationsregister.de/
Autoren:
Prof. Dr. med. M. Hübler, Universitätsklinik Carl Gustav Carus Dresden
Prof. Dr. med. A. Schleppers, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Dr. med. M. St.Pierre, Anästhesiologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen
Dipl.-Sozialw. T. Rhaiem, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg

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