Fall des Monats August 2016 Drucken
19.09.2016

CIRSmedical Anästhesiologie - Berichten und Lernen

Probleme bei der Prämedikation einer fremdsprachigen Patientin


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Der Fall:
(Aus Gründen der Anonymität wird im Folgenden bei Personen stets die männliche Bezeichnung verwendet.)
Probleme bei der Prämedikation einer fremdsprachigen Patientin
 
Zuständiges Fachgebiet:
Anästhesiologie
 
Wo ist das Ereignis eingetreten?
Krankenhaus – PM-Ambulanz
 
Tag des berichteten Ereignisses:
Wochentag

Versorgungsart:
Notfall

ASA-Klassifizierung:
ASA II

Wichtige Begleitumstände:
Mehrere Prämedikationsanmeldungen / OP-Anmeldungen mit Beginn der Dienstzeit und eine gleichzeitige Anforderung des einzigen diensthabenden Anästhesisten vom Kreißsaal, den zwei gynäkologischen Kollegen und der IMC Station.

Fallbeschreibung:
Im Bereich der Notambulanz Gynäkologie warten mehrere Patienten mit Angehörigen, davon zwei Vierergruppen ohne Deutschkenntnisse. Die diensthabende Pflegekraft assistierte dem gynäkologischen Kollegen im Behandlungsraum, als der Name einer zu prämedizierenden Patientin aufgerufen wurde. Es meldet sich eine Gruppe, und dem Übersetzer (Syrisch-Englisch) wurde der Name nochmals auf Papier gezeigt, als auch der Eingriff erneut genannt. Beides wurde als korrekt bejaht.
Es erfolgte bei grenzwertigen Englischkenntnissen des Übersetzers die Prämedikation, auffällig war eine Diskrepanz zwischen den Angaben auf dem Prämedikationsfragebogen und den Angaben des Übersetzers/der Patientin zu Alkohol und Nikotin.
Bei der Unterschrift malt die Patientin Ihren Namen von einem von einem Angehörigen vorgehaltenen Blatt in lateinischer Schrift ab. Dieser hat nichts mit dem vorher aufgerufenen und dem Übersetzer gezeigten Namen zu tun.
Es stellt sich heraus, dass die Gruppe nicht warten wollte und schnell mit einem Arzt sprechen wollte. Ein vollkommen anderer, wohl illegaler Eingriff war gewünscht.
Wäre der falsche Name bei der Unterschrift nicht aufgefallen, hätte der Anästhesist im Nachtdienst die Identität der Patientin beim Einschleusen wohl falsch bestätigt, bei fehlenden Deutsch/Englischkenntnissen und dem extremen OP-Wunsch der Patientin wäre die Nachfrage nach dem Namen bei der Patientin wohl gescheitert. Ob das richtige Armbändchen angelegt worden wäre, wäre auch fraglich gewesen.

Was war besonders gut?
Es war Glück, dass die Patientin ihren Namen in lateinischer Schrift abgeschrieben und nicht in arabischer Schrift unterschrieben hat.

Was war besonders ungünstig?
- Der Zeitdruck durch mehrere Prämedikationen, die zur OP anstanden. Mehrere zeitgleiche Wünsche nach dem Anästhesisten von den gynäkologischen Kollegen, den Hebammen und der IMC Station.
- Es erfolgte eine Übersetzung durch Laien, mit sehr begrenzten Englischkenntnissen, bei fehlendem offiziellen Übersetzer, und eine bewusst falsche Zustimmung des Übersetzers bei der Namenskontrolle vor dem Anästhesiegespräch um nicht Warten zu müssen.
- Die Pflegekraft, die die richtige Patientin kannte, war stark ausgelastet und beim Aufruf der Patientin nicht zugegen.

Eigener Ratschlag (Take-Home-Message)?
- Bei Sprachbarriere Ausweis, Duldungstitel etc. zeigen lassen
- Übersetzungen sollte man,  wie in der vor einer Woche verschickten Email zur "Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden und zu Dolmetscher und Abrechnungen" nur in Ausnahmefällen von Laien durchführen lassen.
- Man sollte regelhaft auf den zertifizierten Dolmetscher bestehen. Auch wenn von Seiten der Notambulanz die Verfügbarkeit verneint wird.

Häufigkeit des Ereignisses?
selten

Wer berichtet?
Ärztin/Arzt

Berufserfahrung:
über 5 Jahre


Die Analyse aus Sicht des Anästhesisten
Die Meldung spricht zwei Problemfelder an: Die Überprüfung der Identität von Patienten und das Vorgehen bei Sprachproblemen.
 
  • Die Überprüfung der Identität von Patienten
In der Regel erfolgt die Überprüfung der Identität von Patienten durch einen Verwaltungsangestellten oder die Person, die den Erstkontakt in der Patienten(not)aufnahme hat. Wie dies zu erfolgen hat, ist krankenhausintern meist eindeutig geregelt (Karte der Krankenkasse, Ausweise, Aufenthaltsbescheinigungen, etc.). Das behandelnde medizinische Personal verlässt sich auf diese Identitätsprüfung und konzentriert sich im Folgenden auf die durchzuführenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen.
 
Insbesondere dann, wenn die Identitätsüberprüfung wegen Kommunikationsproblemen nicht einfach zu wiederholen ist, ist es sinnvoll, unmittelbar im Anschluss ein Patientenarmband anzulegen. Typischerweise ist dies bei Kindern, geistig-beeinträchtigten Personen und Patienten mit Sprachbarrieren der Fall. Aus Gründen der Gleichbehandlung ist es empfehlenswert, diese Maßnahme aber auch bei allen anderen Patienten anzuwenden. Bei den weiteren medizinischen Maßnahmen kann dann durch einen kurzen Blick auf das Armband eine Kontrolle erfolgen. Patientenarmbänder sind in den meisten Krankenhäusern etabliert. Ausnahmen finden sich oft noch in den Ambulanzen. Der Fall veranschaulicht, dass es Sinn macht, dieses Verfahren auch dort anzuwenden. Die hierdurch entstehenden Kosten sind moderat.
 
  • Vorgehen bei Sprachproblemen
In den letzten Jahren ist in Deutschland eine Zunahme an fremdsprachigen Patienten zu vermerken, die medizinischer Hilfe bedürfen und entsprechend versorgt werden müssen. In den meisten Krankenhäusern wird hierfür ein sogenannter Dolmetscher-Pool vorgehalten. Oft handelt es sich dabei aber nicht um offizielle, lizensierte Übersetzer sondern um Krankenhausmitarbeiter mit Fremdsprachenkenntnissen oder entsprechender Nationalität. Inzwischen ist es für die meisten Krankenhäuser aber zur Herausforderung geworden, der zunehmenden Zahl von Patienten ohne Deutschkenntnisse gerecht zu werden. Das von dem Melder geforderte Bestehen auf einen offiziellen Dolmetscher ist zwar wünschenswert, aber wahrscheinlich nicht überall und immer umsetzbar. Stattdessen sollten wir dankbar für jede Unterstützung durch Freiwillige sein. Situationen, wie die geschilderte, stellen sicher eine Ausnahme dar.
 
Nichtsdestotrotz geraten wir bei Patienten mit Sprachbarrieren z.T. in Konflikte, denn die Rechtsprechung verlangt, dass ein Patient nur in eine Behandlung einwilligen darf, nachdem er entsprechend aufgeklärt wurde und die Aufklärung (inkl. Tragweite, Komplikationen, Alternativen, etc.) verstanden hat. Das bedeutet für uns, dass wir auf kompetente Übersetzer nur verzichten können, wenn ein nicht-aufschiebbarer Notfall vorliegt bzw. eine Aufschiebung der Behandlung das medizinische Ergebnis gefährden würde. Das Vorgehen ist dann prinzipiell nicht anders als z.B. bei einem dementen Patienten oder aber bei einem minderjährigen Kind, bei dem der Betreuer bzw. die Eltern nicht erreicht werden können.
 
Ist die Situation eine solche wie in der Meldung beschrieben und bestehen berechtigte Zweifel an der Kompetenz oder Ehrlichkeit des Übersetzers, dann muss die Aufklärung und Behandlung verschoben werden, bis ein entsprechend qualifizierter Übersetzer zur Verfügung steht und die Zweifel ausgeräumt werden können. Zu beachten ist u.U. auch die Konstellation Frau als Patientin und geplanter Eingriff im Intimbereich. In vielen Kulturkreisen handelt es sich um ein noch größeres Tabu-Thema als in Deutschland und ein unbefangenes Gespräch ist - wenn überhaupt - nur mit gleichgeschlechtlichen Personen möglich. Entsprechend ist es ratsam, wenn immer möglich in einem solchen Fall eine Frau als Übersetzerin hinzu ziehen zu können.
 
Unabhängig von der direkten sprachlichen Kommunikation sollte aber nicht vergessen werden, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, um Verständnisbarrieren zu beseitigen. An erster Stelle sind hier die (anästhesiologischen) Aufklärungsbögen zu erwähnen, die von den Herstellern fast in jeder Sprache angeboten werden. Die Bögen sind genauso aufgebaut wie ihre deutschen Pendants und oft zweisprachig, so dass schnell erkannt werden kann, welche Fragen mit Ja oder Nein beantwortet wurden. Das ersetzt zwar nicht die mündliche Aufklärung, kann aber das Gespräch deutlich erleichtern.
 
Eine weitere Möglichkeit, einem Engpass an Personen mit entsprechenden speziellen Sprachkenntnissen zu begegnen, ist die Verwendung des Internets. Die einfachste, aber auch schlechteste Variante ist die Verwendung von automatischen Übersetzungsprogrammen (z.B. Google Translate, Bing Translator). Die Qualität der Übersetzungen hängt dabei stark von der Eingabe ab. Geeignet sind sie nur für einfache Sätze möglichst ohne Adverbien und Adjektive oder für die Übersetzung von Aufzählungen (z.B. mögliche Nebenwirkung einer Intubationsnarkose). Sind Lautsprecher an den Rechner angeschlossen, kann man die Antwort auch vorlesen lassen.
 
Eine letzte, elegante Methode ist Videodolmetschen [1]. Als Projekt wurde es vor ein paar Jahren von der österreichischen Plattform Patientensicherheit initiiert und hat auch einen Fokus für den Gesundheitsbereich. Betrieben wird es von einem kommerziellen Unternehmen, so dass für die Serviceleistung entsprechend bezahlt werden muss. Der finanzielle Aufwand besteht aus einmaligen Kosten (z.B. für Schulung) und aus einem variablen Anteil (z.B. Übersetzungskosten pro Minute). Ob es finanziell günstiger ist, als die Bestellung eines offiziellen Dolmetschers, muss jedes Krankenhaus selber kalkulieren. Qualitativ ist der Service sicher besser als der im Fall beschriebene.
 
Zusammenfassend ist die Krankenhausleitung organisatorisch dafür verantwortlich, ihren Mitarbeitern die Unterstützungsprozesse zu Verfügung zu stellen, damit sie eine qualitative und rechtlich sichere Patientenversorgung durchführen können. Beachtet werden muss hierbei insbesondere auch, dass Krankenhäuser in der Regel 24 Stunden am Tag geöffnet haben und die Unterstützungsprozesse entsprechend rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen. Es reicht nicht, nur eine E-mail zu verschicken und darauf hinzuweisen, dass die Hilfe von Laien die Ausnahme darstellen soll. Medizinischen Mitarbeitern ist zu raten, tatsächlich auch eine entsprechende Übersetzungshilfe einzufordern und nur in begründeten Ausnahmefällen (s.o.) darauf zu verzichten.
 
 
Die Analyse aus Sicht des Juristen [2]
Die Problematik der Identifikation und Identitätssicherung ist bereits in der Analyse aus Sicht des Anästhesisten angesprochen. Dort wird auch deutlich, wie wichtig eine frühzeitige Identifikationssicherung des Patienten für den weiteren Ablauf der Versorgung ist. Die Rechtsprechung stellt jedoch hohe Anforderungen dort, wo es um rein organisatorische und damit bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt beherrschbare Abläufe geht. Ähnlich wie bei Seitenverwechslungen wird die Rechtsprechung bei einer Identitätsverwechslung des Patienten hohe Anforderungen an den Nachweis einer sachgerechten Organisation stellen, wenn es zu einem Patientenschaden gekommen sein sollte. Das Kammergericht Berlin [3] hat festgestellt, dass der Arzt sich "auch im Rahmen der Behandlungspflichten" - zu den Behandlungspflichten gehört auch die Identitätssicherung und die Anamneseerhebung - vergewissern muss, "dass der Patient in der Lage ist, die für eine ordnungsgemäße Behandlung erforderlichen Angaben zu machen, andernfalls die Behandlung ablehnen oder für eine Sprachmittlung sorgen muss." Gegen bewusste Täuschung und gewollte Manipulation wird es allerdings kein „narrensicheres System“ geben.
 
Verpflichtung zur patientenorientierten verständlichen Aufklärung
 
Die von der Rechtsprechung und der Rechtsdogmatik entwickelten Grundsätze zur Aufklärung wurden im Zuge des Patientenrechtegesetzes in § 630e Abs. 2 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Form eines Gesetzes gegossen. So ist der Arzt verpflichtet, den Patienten über sämtliche für dessen Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären, also insbesondere über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahmen sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten einschließlich des Hinweises auf Alternativen zur Maßnahme, dies, allerdings nur, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlich Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können. Diese Aufklärung muss nicht nur mündlich und rechtzeitig erfolgen, sondern für den Patienten verständlich sein. Dies bedeutet, dass der Arzt das Gespräch so zu führen hat, dass der Patient in der Lage ist, die Informationen zu verstehen und zu verarbeiten, um zu einer validen Entscheidung über die Vornahme oder Nicht-Vornahme des Eingriffs zu gelangen. Dabei haben die Informationen patientenangepasst zu erfolgen, d.h. dem jeweiligen Intellekt und den individuellen Besonderheiten des Patienten (Alter, Beruf, soziales Umfeld etc.) entsprechend.
 
Von Patienten abgesehen, die entweder das notwendige Entscheidungswissen bereits haben (vorherige Aufklärung, eigenes medizinisches Fachwissen etc.) oder auf nähere Aufklärung ausdrücklich verzichten haben (§ 630e Abs. 3 BGB) ist die vorherige, rechtzeitige und adäquate Aufklärung Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten. Bei ausländischen, nicht deutschverstehenden Patienten wird die Informationsvermittlung problematisch. Hierzu das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 11.09.2000, VersR 2002, S. 192 ff.): Danach "ist wesentlich", ob der Patient "dem in deutscher Sprache geführten Aufklärungsgespräch folgen konnte". Ist dies nicht der Fall, "muss das Aufklärungsgespräch in einer dem Patienten verständlichen Sprache geführt oder in eine solche übersetzt werden".
Machen fehlende Sprachkenntnisse des Patienten eine Kommunikation mit ihm unmöglich, kann ohne Hinzuziehung eines Sprachmittlers wohl kaum eine ordnungsgemäße Aufklärung erfolgen. Eine vom Patienten erklärte Einwilligung in den Eingriff wäre dann rechtlich unwirksam.
 
Einschaltung eines Sprachmittlers
 
Das Patientenrechtegesetz schweigt zur Qualifikation eines „Dolmetschers“, häufig begleiten Angehörige oder Bekannte den Patienten und stehen als Sprachmittler zur Verfügung. In diesem Fall muss der Arzt sich vergewissern, dass diese Begleitpersonen als Übersetzer insoweit in Frage kommen, als sie die deutsche Sprache hinreichend verstehen. Denn letztlich bleibt der Arzt für die Aufklärung als Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung verantwortlich. Drängt sich ihm der Eindruck auf, dass die Sprachmittler nicht in der Lage sind, dem Patienten die Aufklärungsinhalte zu verdeutlichen oder wirkt dieser verunsichert, dann sind Zweifel angebracht und der Arzt muss - von zeitlich dringenden Notfällen abgesehen, bei denen die notwendigen ärztlichen Maßnahmen in aller Regel unter dem Aspekt der mutmaßlichen oder eventuell hypothetischen Einwilligung erlaubt sind - die Behandlung aufschieben oder u.U. verweigern, bis für einen geeigneten Sprachmittler gesorgt werden kann. Nichts anderes gilt, wenn der Patient allein ohne einen Sprachmittler erscheint und eine ausreichende Verständigung nicht gewährleistet ist. Grundsätzlich gilt: Die Anforderungen an die Qualität der Übersetzung sind umso höher, je risikoreicher und schwerwiegender die geplante Maßnahme ist.
Da die Aufklärung mündlich zu erfolgen hat, können die bekannten Aufklärungs- und Anamnesebögen die Aufklärung zwar vorbereiten und ihre Dokumentation erleichtern, ersetzen können und dürfen sie das Gespräch zwischen Arzt und Patient nicht, welches aber „durch Gesten und Zeigen mit den Händen“ unterstützt werden kann [4] Auch bei einem fremdsprachigen, der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Patienten reicht es nicht aus, ihm lediglich den fremdsprachlichen Aufklärungsbogen zu geben [5]. Jedoch kann der fremdsprachliche Aufklärungsbogen, der mit dem deutschen übereinstimmt, das Aufklärungsgespräch erleichtern, er macht aber das persönliche Gespräch keinesfalls entbehrlich [6].
Ist der Arzt respektive der Krankenhausträger verpflichtet, für eine adäquate Aufklärung nicht ausreichend deutsch verstehender Patienten zu sorgen, so wird jedoch nicht stets der Einsatz eines „öffentlich bestellten und beeidigten Dolmetschers“ gefordert. Das OLG Karlsruhe [7] hat die Hinzuziehung einer im Krankenhaus beschäftigten Putzfrau als Sprachmittlerin als zulässig erachtet, soweit diese in der Lage war, dem Patienten als medizinischen Laien die Situation adäquat zu erklären. Es würde also ausreichen, wenn im Krankenhaus beschäftigte Personen mit geeigneten Sprachkenntnissen als Sprachmittler hinzugezogen werden. Es empfiehlt sich, sich über die im Krankenhaus gesprochenen Sprachen zu informieren und entsprechende Listen über mögliche Sprachmittler vorzuhalten. In den Unterlagen sollte dokumentiert werden, wer als Sprachmittler zur Verfügung stand.
 
Fehlende Sprachmittler
 
Was aber soll der Arzt tun, der sich einem nicht hinreichend deutsch verstehenden Patienten gegenüber sieht und keinen Sprachmittler zur Verfügung hat? Bei aufschiebbarer Behandlung wird er diese bis zur Hinzuziehung eines Sprachmittlers aufschieben müssen oder gar verweigern, sofern er nicht für einen geeigneten Sprachmittler sorgen kann. Diese durch fehlende Verständnismöglichkeiten erzwungene „Behandlungsverweigerung“ ist weder ethisch noch rechtlich zu beanspruchen. Denn Patienten haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. So wird in § 630c Abs. 1 BGB gefordert, dass Arzt und Patient zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken sollen. Patienten, die wissen oder davon ausgehen müssen, dass sie in der Arztpraxis oder im Krankenhaus auf Sprachschwierigkeiten stoßen werden, werden nicht ohne weiteres erwarten dürfen, dass dort Sprachmittler zur Verfügung stehen. Wenn auch den Patienten die Pflicht trifft, zur Durchführung der Behandlung zusammenzuwirken, dann muss auch er dafür sorgen, dass eine Behandlung einschließlich der dazu erforderlichen Aufklärung möglich wird. Man wird also auch dem Patienten eine Pflicht auferlegen dürfen, für eine Begleitung durch adäquate Sprachmittler zu sorgen, Not- und Eilfälle, wie gesagt ausgenommen.
 
Kosten des Sprachmittlers
 
Aus der Tatsache, dass Arzt respektive Krankenhausträger verpflichtet sind, für Sprachmittler bei der Versorgung nicht ausreichend deutsch verstehender Patienten zu sorgen, lässt sich allerdings nicht die Verpflichtung ableiten, dass diese auch eventuelle Kosten eines Sprachmittlers/Dolmetschers tragen müssten. Der Wortlaut des Patientenrechtegesetzes sagt hierzu zwar nichts, allerdings führt die Bundesregierung in der Begründung zum Gesetzentwurf aus [8]:
 
„Bei Patienten, die nach eigenen Angaben oder nach der Überzeugung des Behandelnden der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, hat die Aufklärung in einer Sprache zu erfolgen, die der Patient versteht. Erforderlichenfalls ist eine sprachkundige Person oder ein Dolmetscher auf Kosten des Patienten hinzuziehen.“
 
„Erweiterte“ Haftung für Aufklärungsfehler
 
Wichtig zu wissen: Zwar kann unter bestimmten Voraussetzungen [9] die Aufklärung innerhalb der Fachabteilung an Ärzte delegiert werden, die den Eingriff nicht selbst durchführen. Doch für Aufklärungsfehler durch den aufklärenden Arzt haften dann u.U. auch die Ärzte, die selbst nicht aufgeklärt haben, aber später den Eingriff durchführen. Dies dann, wenn diese Ärzte wussten oder hätten wissen können, dass der Patient im konkreten Fall von ihrem Kollegen nicht hinreichend aufgeklärt wurde – insbesondere weil ihnen bekannt war, dass eine Aufklärung in der Sprache des Patienten in der Regel nicht stattfindet [10].

 

Take-Home-Message

  • Die Überprüfung der Patientenidentität ist Aufgabe der Krankenhausaufnahme. Empfehlenswert ist das Anlegen von Patientenidentifikationsarmbändern unmittelbar nach der Identitätsprüfung.
  • Es existieren verschiedene Möglichkeiten und Hilfsmittel, die bei sprachlichen Kommunikationsschwierigkeiten angewendet werden können. Organisatorisch verantwortlich ist die Krankenhausleitung, die ihren Mitarbeitern die entsprechenden Hilfsmittel zur Verfügung stellen muss.
  • Bei nicht deutsch verstehenden Patientinnen/Patienten ist zur Anamnese und Aufklärung ein Sprachmittler beizuziehen.
  • Ist die Behandlung nicht dringlich und eine ausreichende Verständigung nicht gewährleistet, muss die Behandlung aufgeschoben werden bis ein geeigneter Sprachmittler eingesetzt werden kann.


Weiterführende Literatur:
  • [1]  www.videodolmetschen.com
  • [2] siehe „Parallelfall“ Patientenverwechslung während der Prämedikation Fall des Monats Februar 2011
  • [3] Kammergericht Berlin, Urteil vom 08.05.2008, Az. 20 U 202/06, VersR 2008, 1649 ff.
  • [4] OLG Nürnberg, Urteil vom 28.06.1995, Az. 4 U 3943/94, VersR 1996, 1372 f.
  • [5] OLG Nürnberg, Urteil vom 28.06.1995, Az. 4 U 3943/94, VersR 1996, 1372 ff.
  • [6] Kammergericht Berlin, Urteil vom 08.05.2008, Az. 20 U 202/06, VersR 2008, 1649 ff.
  • [7] Urteil vom 02.08.1995, 13 U 44/94 VersR 1997, 241 ff.
  • [8] Bundestagsdrucksache 17/10488 vom 15.08.2012, 25
  • [9] BDAktuell JUS-Letter September 2007, www.bda.de/service-recht/rechtsfragen/jusletter/archiv-jahrgaenge.html
  • [10] OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.03.1997, VersR 1998, 718 ff.

Autoren:
Prof. Dr. med. M. Hübler, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Carl Gustav Carus Dresden
Dr. iur. E. Biermann, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Prof. Dr. med. A. Schleppers, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Dipl.-Sozialw. T. Rhaiem, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg

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