Paper of the Month #35 Drucken
05.11.2012

Stiftung für Patientensicherheit, Schweiz: Paper of the Month #35 – "Risikofaktoren für Diskrepanzen in der chirurgischen Zählkontrolle"

Rowlands A:
Risk factors associated with incorrect surgical counts
Association of perioperative registered nurses (AORN) Journal 2012, Vol. 96, 272-284
Thema: "Risikofaktoren für Diskrepanzen in der chirurgischen Zählkontrolle"
Unbeabsichtigt im OP-Gebiet belassene Fremdkörper sind ein anhaltendes Risiko für die Patientensi-cherheit. Im Körper verbliebene Instrumente und Verbrauchsmaterialien können zu erheblichen Kon-sequenzen für die betroffenen Patienten führen. Prä-, intra-, und postoperative Zählkontrollen von In-strumenten und Materialien (z.B. Tupfern, Kompressen, Tamponaden) sind ein wirksames Vorgehen, um das unbeabsichtigte Belassen von Fremdkörpern im OP-Gebiet zu vermeiden. Diskrepanzen in einer Zählkontrolle, also ein Wiederspruch zwischen verwendeten und entfernten Materialien, zeigen an, dass eine mögliche Gefahr für Patienten besteht, die es abzuklären gilt. Rowlands untersuchte in ihrer Studie Faktoren, die mit solchen Inkonsistenzen in einer Zählkontrolle verbunden waren. Es geht also um Ereignisse, bei denen die Entfernung nicht aller Materialien bei der Zählkontrolle registriert worden war. In einer Querschnittsstudie verwendete die Autorin Daten zu 1‘122 Operationen aus zwei US-amerikanischen Spitälern. Sie griff dabei sowohl auf die Operationsdokumentation als auch auf die Personalangaben zu den beteiligten OP-Pflegefachpersonen zurück. Sie untersuchte dann die Assoziation von Variablen aus vier verschiedenen Domänen mit dem Auftreten einer Diskrepanz bei der Zählkontrolle: a) patientenseitige Risikofaktoren (Alter, präoperatives Risiko (ASA), Body Mass Index (BMI)); b) intraoperative Bedingungen (Schwierigkeit des Eingriffs, Dauer der Prozedur, Elekti-vität bzw. Ungeplantheit des Eingriffs); c) beteiligtes Personal (Anzahl perioperativ beteiligten Perso-nals, Anzahl beteiligter Chirurgen, Anzahl beteiligter Spezialistenteams); d) Merkmale der leitenden OP-Pflegefachperson (Ausbildung, Erfahrung, Zertifizierung). Insgesamt waren bei den 1‘122 Opera-tionen in 9% inkonsistente Zählkontrollen dokumentiert. In dem finalen multivariaten Regressionsmo-del waren folgende sechs Variablen signifikant mit einer Diskrepanz in der Zählkontrolle assoziiert: Ein höheres präoperatives Risiko (ASA ≥ 3, Odds ratio 1.7), ein geringer Body Mass Index (Odds ra-tio 0.96), ein ungeplanter Eingriff (Odds ratio 5.6), eine schwierige Prozedur (Odds ratio 1.9), eine hö-here Anzahl perioperativ beteiligten Personals (Odds ratio 1.3) sowie eine höhere Anzahl beteiligter Spezialistenteams (Odds ratio 2.5). Das Risiko für Diskrepanzen in der Zählkontrolle war also beson-ders hoch, wenn es sich um einen ungeplanten Eingriff handelte, an dem mehrere Spezialistenteams beteiligt waren. Frühere Studien gingen davon aus, dass Patienten mit hohem BMI besonders häufig von unbeabsichtigt im OP-Gebiet belassenen Fremdkörpern betroffen sind. Die nun von Rowlands berichtete inverse Beziehung zwischen Body Mass Index und diskrepanten Zählkontrollen mag darauf zurückzuführen sein, dass die Fachpersonen sich bei Patienten mit hohem BMI den Gefahren be-wusst sind, bei der Entfernung des Verbrauchsmaterials besonders aufmerksam sind und somit Dis-krepanzen bei der Zählkontrolle seltener werden. Dahingegen sind Patienten mit besonders tiefem BMI negativ betroffen, weil man bei ihnen eher nicht mit dem Belassen von Fremdkörpern rechnet. Die Vorzüge der Studie liegen in der relativ grossen und robusten Datenbasis. Eine Einschränkung ist, dass die Daten aus nur zwei Spitälern stammen. Zudem können in dem gewählten Studiendesign keine kausalen Zusammenhänge sondern nur Assoziationen nachgewiesen werden. Die Studie zeigt, wie häufig diskrepante Zählkontrollen vorkommen, und dass sich diese auf bestimmte Patienten, Ein-griffe und intraoperative Bedingungen konzentrieren. Mithilfe der Studie lassen sich schon präoperativ solche Konstellationen identifizieren, bei denen die Gefahr von inkonsistenten Zählkontrollen beson-ders hoch ist: Dies sind insbesondere schwierige ungeplante Eingriffe unter der Beteiligung mehrerer chirurgischer Spezialistenteams und einer grossen Anzahl beteiligten Personals. Zählkontrollen sind eine wichtige Massnahme der Patientensicherheit, wenn klar ist, was, wann und durch wen gezählt und dokumentiert wird, und wie mit Inkonsistenzen umzugehen ist.

Prof. Dr. D. Schwappach, MPH, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Patientensicherheit.
Dozent am Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM), Universität Bern
Link zum Abstract: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22935256
(Den Volltext können wir aus Copyright Gründen leider nicht mit versenden).

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