Paper of the Month #48 Drucken
10.10.2014

Stiftung für Patientensicherheit, Schweiz: Paper of the Month #48 – Vermeidung von Verwechslungen durch
Patientenfotos auf dem Röntgenbild

Tridandapani S, Ramamurthy S, Provenzale J, Obuchowski NA, Evanoff MG, Bhatti P: A multiobserver study of the ef-fects of including point-of-care patient photographs with portable radiography: a means to detect wrong-patient errors
Academic Radiology 2014; Vol. 21, Nr. 8, 1038-1047

Thema: Vermeidung von Verwechslungen durch Patientenfotos auf dem Röntgenbild

Das Röntgen (Rx) ist bei vielen Erkrankungen ein wichti-ger Teil des diagnostischen Prozesses. Wie bei anderen Verfahren auch kann es nicht nur zu Fehlern bei der Durchführung oder Interpretation der Untersuchung kommen, sondern auch bei der Zuordnung der Befunde. Ver-wechslungen, bei denen eine Rx-Aufnahme einem fal-schen Patienten oder einer falschen Dokumentation zuge-ordnet wird, machen einen relativ hohen Anteil der Fehler bei radiologischen Untersuchungen aus. Die Verwendung von mehreren Patienten-Identifikatoren (Name, Alter, etc.) bei Rx-Aufnahmen ist daher wichtig. Allerdings kommen im klinischen Alltag oft Situationen vor, in denen nicht alle notwendigen Identifikatoren verfügbar sind, zum Beispiel auf dem Notfall. Besonders riskant werden Situationen dann, wenn für einen Patienten mehrere Rx-Aufnahmen vorliegen, beispielsweise um eine Entwicklung zu monito-risieren. Die Gefahr von Zuordnungsfehlern potenziert sich dann. Tridandapani et al. untersuchten in ihrer experimen-tellen Studie, ob durch die Ergänzung von Patientenfotos auf den Rx-Aufnahmen die Häufigkeit von Zuordnungsfeh-lern reduziert werden können. In die Studie wurden 30 Pa-tienten von 2 US-amerikanischen Intensivstationen einge-schlossen, für die jeweils Thorax-Röntgenaufnahmen von mindestens zwei Zeitpunkten vorlagen (insgesamt 166 Rx-Aufnahmen). Für alle Patienten lagen auch aktuelle Portrait-Fotos vor, die im Spital im Verlauf der Untersuchung gemacht worden waren; sogenannte „point of care photo-graphs“. Anschliessend wurden nach einem Zufallsverfah-ren immer zwei Rx-Aufnahmen eines Patienten von zwei Zeitpunkten gepaart. Es wurden vorsätzlich fehlerhafte Paarungen erzeugt, in denen zwei Rx-Aufnahmen ver-schiedener Patienten zusammengefügt wurden, ebenfalls eine ältere und eine neuere. Eine Gruppe von zufällig ausgewählten, erfahrenen Radiologen unterschiedlicher Sub-Spezialitäten beteiligte sich an der Studie (n=90). Ihre Aufgabe war es, jeweils 10 zufällig ausgewählte Rx-Paare zu evaluieren. Sie sollten z.B. angeben, ob sich der Zu-stand des Patienten verbessert hat. Dabei war sichergestellt, dass unter den 10 Aufnahme-Paaren maximal eine Paarung fehlerhaft war. Den Radiologen wurde zufällig eine 10er Serie von Rx-Paarungen mit oder ohne Patienten-Fotos gezeigt. Es wurde natürlich nicht explizit danach gefragt, ob die zwei Aufnahmen vom gleichen Patienten stammen. Vielmehr waren die Kliniker aufgefordert, alle Auffälligkeiten zu kommentieren. Ein Assistent war anwesend und registrierte seitens der Kliniker verbalisierte aber nicht dokumentierte Hinweise auf „falsche Paarungen“ oder Zuordnungen. Von falschen Paaren - also Rx-Aufnahmen von zwei verschiedenen Patienten, die fälsch-licherweise einem Patienten zugeordnet waren - welche keine Patientenfotos enthielten, wurden 31% korrekt erkannt. Von den falschen Paaren, auf denen Fotos der beiden verschiedenen Patienten zu sehen waren, wurden 77% korrekt und autonom erkannt. Das Odds ratio beträgt 7.3 (p=0.006). Die fehlerhaften Paare mit Patientenfotos wurden von allen Radiologen, unabhängig von der Subdisziplin, besser erkannt. Es gab keine Unterschiede in der Begutachtungsdauer der Rx-Aufnahmen mit vs. ohne Patientenfotos. 80% der Radiologen gaben an, dass die Fotos sie nicht bei der Evaluation ablenken würden. Hingegen sagten 44%, dass die Patientenfotos hilfreich für die Interpretation der Aufnahmen waren. Die Studie zeigt, dass durch die Verwendung von aktuellen Patientenfotos als Ergänzung zu anderen Identifikatoren ein erheblicher Anteil von Zuordnungsfehlern bei Rx-Aufnahmen durch die beteiligten Radiologen erkannt wird. Fotos von Patienten sind die einzigen intrinsischen Identifikatoren, die extern sichtbar und überprüfbar sind (im Gegensatz zu Namen, Fingerabdrücken oder Iris-Scans). Zudem handelt es sich um eine relativ einfache und kostengünstige Mas-nahme, zumal wenn die Fotos bei modernen Geräten direkt automatisch im Zuge des Rx produziert werden. Allerdings ist noch unklar, ob mit zunehmender Gewöhnung an die Verwendung von Fotos Diskrepanzen zwischen Patienten eher ignoriert werden. Die Nutzung von Fotos als ergänzender und leicht prüfbarer Identifikator kann gerade in Hoch-Risiko-Situationen zusätzliche Sicherheit generie-ren und sollte daher verstärkt zum Einsatz kommen.

Prof. Dr. D. Schwappach, MPH
Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Patientensicherheit
Dozent am Institut für Sozial und Präventivmedizin (ISPM), Universität Bern

(Den Volltext können wir aus Copyright Gründen leider nicht mit versenden).

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Mit dem "Paper of the Month" möchte die Stiftung für Patientensicherheit eine interessante Dienstleistung für diejenigen Personen erbringen, die einerseits bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen up-to-date sein möchten, andererseits nicht über die Ressourcen verfügen, das gesamte Feld zu beobachten. Die Stiftung für Patientensicherheit stellt etwa alle vier Wochen eine aktuelle wissenschaftliche Studie zur Patientensicherheit und ihre Kernergebnisse vor. Sie wählt dafür internationale Studien aus, die einerseits eine hohe Qualität aufweisen und die sie andererseits subjektiv als wichtig beurteilt, zum Beispiel aufgrund einer wichtigen Fragestellung oder einer innovativen Methodik.

 

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