Paper of the Month #5 Drucken
01.12.2008

Stiftung für Patientensicherheit, Schweiz: "Patientenerfahrungen mit der Offenlegung von unerwünschten Ereignissen"

Iedema R., Sorensen R., Manias E. et al.: Patients' and family members' experiences of open disclosure following adverse events. Int J Qual Health Care. 2008; 20(6):421-32.


Thema: Patientenerfahrungen mit der Offenlegung von unerwünschten Ereignissen

Iedema et al. berichten erste Evaluationsergebnisse der Umsetzung offizieller Standards zur Offenlegung von unerwünschten Ereignissen gegenüber Patienten in Australien ("open disclosure"-Politik). Vierzig Spitäler nahmen an dieser Pilot-Studie teil. Die Spitäler entwickelten interne Politiken und organisatorische Prozesse zur Offenlegung nach Zwischenfällen, bildeten die Mitarbeitenden aus, und richteten interne Stellen ein ("Open Disclosure Project officers"). Diese fungieren als zentrale Schnittstelle zwischen den betroffenen Patienten und den Spitalsmit­arbeitenden. In diesem Modell ist es die Aufgabe der Verbindungstelle, die von einem Zwischenfall betroffenen Patienten zu kontaktieren, alle relevanten Daten zusammenzustellen und aufzubereiten, eine formale Offenlegungssitzung durchzuführen, diese vorgängig mit den Mitarbeitenden vorzubereiten, und mit den Patienten nach Durchführung der Offenlegung den Kontakt zu halten. Im Rahmen der Pilotstudie wurden qualitative Interviews mit Patienten und Angehörigen geführt, um zu evaluieren, wie die Offenlegungspolitik von Patienten erlebt wird, in wie weit das Vorgehen ihren Bedürfnissen entsprach und welche positiven und negativen Erfahrungen sie berichten. Nahezu alle Patienten schätzten die Möglichkeit der Offenlegungssitzung und die Möglichkeit, mit den Mitarbeitenden zu sprechen. Allerdings wurden einige Aspekte der Umsetzung kritisiert. Insbesondere die lange Zeitdauer, bis es zu einem Gespräch kam und ein informeller Charakter wurden von Patienten negativ bewertet. Sitzungen, die Patienten als formal beschrieben, wurden demgegenüber positiv gewürdigt, da die Formalität als Indikator für das Ernstnehmen der Situation auf Seiten des Spitals interpretiert wird. Hierzu gehört beispielsweise die Ankündigung des Gespräches, so dass auch Patienten sich mit Fragen vorbereiten können. Weitere unbefriedigende Erfahrungen bezogen sich auf das Fehlen eines Follow-ups, das Fehlen einer Entschuldigung sowie die fehlende Möglichkeit mit denjenigen Mitarbeitenden zu kommunizieren, die direkt an dem Zwischenfall beteiligt waren. Die Studie zeigt deutlich, dass eine offensive Politik der Offenlegung ein wichtiger, erster Schritt in einem angemessenen Umgang mit Zwischenfällen ist. Die angemessene Umsetzung von Offenlegungs-Gesprächen erfordert aber die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Patienten und ihrer Angehörigen. Aus Sicht von Patienten sind dabei ein formaler Charakter des Gespräches, das Anbieten einer Entschuldigung, sowie der Kontakt mit den betroffenen Mitarbeitenden wichtige Komponenten. Die Studie ist wertvoll für diejenigen Fachpersonen, die direkt in die Planung oder Durchführung von Offenlegungsgesprächen involviert sind, da sie eindrücklich das Erleben der Patienten berichtet.

Hinweis: Im Rahmen der Evaluation der "open disclosure"-Politik in Australien sind in den vergangen Wochen mehrere Artikel der gleichen Autorengruppe erschienen, die jeweils andere Aspekte intensiv beleuchten. Dazu gehören neben dem hier vorgestellten Artikel auch Folgende:

PD Dr. D. Schwappach, MPH
Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Patientensicherheit

Link zum Abstract: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18801752

"Paper of the Month"
Mit dem "Paper of the Month" möchte die Stiftung für Patientensicherheit eine interessante Dienstleistung für diejenigen Personen erbringen, die einerseits bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen up-to-date sein möchten, andererseits nicht über die Ressourcen verfügen, das gesamte Feld zu beobachten. Die Stiftung für Patientensicherheit stellt etwa alle vier Wochen eine aktuelle wissenschaftliche Studie zur Patientensicherheit und ihre Kernergebnisse vor. Sie wählt dafür internationale Studien aus, die einerseits eine hohe Qualität aufweisen und die sie andererseits subjektiv als wichtig beurteilt, zum Beispiel aufgrund einer wichtigen Fragestellung oder einer innovativen Methodik.

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