CIRSmedical Anästhesiologie - Berichten und Lernen
Schwierige Arbeitsbedingungen bei der Betreuung von komplexen Intensivpatienten
Download Fall des Monats Quartal 1-2025 als PDF Dokument
Der Fall:
(Aus Gründen der Anonymität wird im Folgenden bei Personen stets die männliche Bezeichnung verwendet.)
Durchführung einer i.v.-Regionalanästhesie durch Nicht-Anästhesisten führt zum Krampfanfall
Zuständiges Fachgebiet:
Anästhesiologie
Wo ist das Ereignis eingetreten:
Krankenhaus – ITS / IMC
Tag des berichteten Ereignisses:
Wochentag
Versorgungsart:
Routinebetrieb
ASA Klassifizierung:
ASA IV
Patientenzustand:
Lebensbedrohlicher schlechter Allgemeinzustand
Wichtige Begleitumstände:
Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein Einzelzimmer unserer Station und drehen sich 90° nach links.
Neben dem Waschbecken, zu Ihrer Linken, erstreckt sich eine Ablagefläche mit Schrankunter-bau bis hin zu einer Wand.
An der Wand, auf die Sie jetzt gucken, hängt links die Monitoranlage und es erstreckt sich über den Großteil der Länge ein doppeltes Wandschienensystem. An dem System befinden sich u.a. die Absauganlage, eine Aufhängung für Absaugkatheter, Doppelflowmeter für O2, eine Son-denkostpumpe und ganz rechts eine Docking Station, die 3 Infusomaten und 6 Perfusoren in-kludiert.
Zwischen den beiden Schienen sind insgesamt 2 Wandanschlüsse zum Verabreichen von O2, 2 Wandanschlüsse für Druckluft und eine Möglichkeit für das Vakuum installiert. Es reihen sich (direkt neben dem Monitor) 2 ZSV Steckdosen und noch weitere 10 SV Steckdosen ein. Am Ende des Wandschienensystems hängt eine kleine Ablage (für Medikamente, Perfusoren, etc.) bevor die nächste Wand (Fenster und Heizung) beginnt.
Der Patient liegt kopfwärts zum Wandschienensystem und blickt auf eine gläserne Front, die Mittels Jalousien verschlossen ist.
Benötigte Geräte werden bei Bedarf in das Zimmer gefahren und entsprechend angeschlossen.
Fallbeschreibung:
Ein Patient, der sich im septischen Schock befindet, ist kontrolliert beatmet, volatil sediert und wird hämofiltriert. Er liegt in einem Einzelzimmer. Wir stehen wie oben beschrieben im Patientenzimmer und blicken auf den Patienten und die Geräte:
Der Monitor ist einsehbar. Unmittelbar vor dem Monitor und neben dem Patienten steht die Hämofiltration, die kontinuierlich läuft. Hinter dieser Maschine befindet sich die Absaugung.
An der Decke hängt ca. auf Kopf-/ Schulterhöhe eine verschiebbare Halterung, versehen mit Haken, an der der arterielle Druckbeutel, eine frei laufende Kurzinfusion und Kabel vom Monitor hängen.
Insgesamt laufen 12 Perfusoren und Infusomaten als Dauerinfusion bei dem Patienten. Das be-deutet, dass zusätzlich zur Docking Station noch weitere 3 Geräte an der Wandschiene befestigt sind, die alle mit einem Netzteil verbunden werden mussten.
Ein Perfusor und ein Infusomat hängen hinter der Dialyse an der Wandleiste, ein weiterer hängt direkt hinter dem Kopf des Patienten.
Aus Ihrer Sicht steht rechts von dem Patientenbett das Beatmungsgerät. Aufgrund der volatilen Sedierung ist dieses mit einem Kunststoffschlauch an einer zusätzlichen Absaugvorrichtung verbunden. Diese Vorrichtung hängt rechts neben der Docking Station. Vor der Beatmungsma-schine steht ein Nachtschränkchen auf dem sich das Gerät zur Sedierungsteuerung befindet. Da die Docking Station 2 funktionierende Steckdosen verdeckt, mussten wir uns mit einer 3-fach Steckdose behelfen, um alle Geräte mit Strom zu versorgen.
Was war besonders gut?
Technisch und fachlich konnten wir beginnen, den schwer kranken Patienten zu therapieren.
Alle zuständigen Ärzte und Pflegekräfte haben auf die Zu- und Ableitungen des Patienten geachtet.
Was war besonders ungünstig?
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Es befinden sich zu wenige Steckdosen, insbesondere ZSV Dosen an der Wand. Eine ist belegt mit dem Monitor, die andere mit der Beatmungsmaschine. Das Dialysegerät und das Gerät zur Steuerung der Sedierung sind an einer normalen Steckdose angeschlossen, obwohl beide Geräte keinen bzw. nur einen eingeschränkten Akku besitzen.
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Durch die zusätzlichen Perfusoren und Infusomaten ist es schwierig, einen Überblick über laufende Medikamente zu bekommen. Zudem kommt, dass vor den Perfusoren, die an der Docking Station hängen, die Beatmungsmaschine und das Gerät zur Sedierungssteuerung stehen. Die Sicht auf die Perfusoren ist eingeschränkt. Kommt jetzt ein Wechsel einer Perfusorspritze oder eine Änderung der Laufrate hin-zu, ist dieser nicht möglich. Außer man verschiebt Geräte, bzw. reckt oder bückt sich so um die Leitungen, Zugänge oder Schläuche, dass man an die Perfusorspritzen herankommt. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass der Patient u.a. 3 Katecholamine laufen hat.
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Die Absaugung befindet sich direkt an der Wand hinter der Dialyse. Man kommt zwar über die linke Seite an der Maschine vorbei, um diese anzuschalten, es ist aber nicht möglich aus dieser Position an den Patienten zu kommen. Das bedeutet, man hängt den Absaugschlauch über die Dialyse, geht um das Gerät herum, verschiebt es, damit man mit dem Schlauch den Patienten oral oder endotracheal absaugen kann. Häufig ist durch den Absaugschlauch oder der Bewegung am Gerät dann allerdings die Waage der Dialyse irritiert, so dass ein Alarm ertönt. Leider lässt sich ein schnelles Absaugen im Notfall nicht umsetzen.
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Der Blutdruck des Patienten wird über eine PiCCO-Kanüle in der linken Leiste gemessen. In dem Fall hängt der Transducer am Bettgestell nahe dem Kopfteil. Zum Nullen des Messsystems muss man am Druckaufnehmer manipulieren. Dieser Vorgang gestaltet sich ähnlich wie der Wechsel einer Perfusorspritze. Anschließend muss man um das Patientenbett laufen, die Dialyse verschieben, um auf dem Monitor einen Nullabgleich durchführen zu können. Ist dieser erfolgreich, wechselt man erneut die Seite des Bettes, um wieder eine RR-Kurve sehen zu können.
Wie häufig tritt ein Ereignis dieser Art in Ihrer Abteilung auf?
mehrmals pro Jahr
Wer berichtet?
Pflegekraft
Berufserfahrung:
über 5 Jahre
Die Analyse aus Sicht des Anästhesisten
Schon in der Kurzanalyse dieses Falls stellten sich mir spontan Fragen:
- Ist in dem/den genannten Einzelzimmer/n eine High-Care-Versorgung statthaft?
- Was muss ergänzt oder verändert werden, um mit den Mitteln der Ergonomie zumindest ei-ne Besserung zu bewirken?
- Sofern nur eine low-care-Grundausstattung (wie hier eine 9er-Dockingeinheit) vorhanden ist oder geplant ist: wie lassen sich Medizingeräte funktionaler und platzsparender aufstellen und wann ist eine Grenze erreicht?
Hier soll nun ausführlicher vor allem auf Planung, notwendige Ausstattung, Ergonomie und resultierende Patientensicherheit an einem intensivmedizinischen Arbeitsplatz eingegangen werden. Es liegt auf der Hand, dass eine „Ergonomie für alle Fälle“ kaum darstellbar ist, es aber dennoch für schwierige Grundvoraussetzungen gute Lösungen geben kann.
Zum Fall: Die anschauliche Schilderung des Raumes lässt vermuten, dass die Ausstattungsmerkma-le mit einem Wandversorgungssystem (Wandschienensystem), daran befestigter Ausrüstung und einem limitierten Medienangebot entweder vor geraumer Zeit so eingerichtet wurden und/oder nicht für eine High-Care-Intensivversorgung vorgesehen waren. Die Schilderung erweckt jeden-falls nicht den Eindruck, dass bei der Planung des Arbeitsplatzes eine zeitgenössische Intensivthe-rapie mit mehrfachem Organersatz mitgedacht wurde.
In diesem allein strukturell unzureichenden Setting wird nun ein akut erkrankter Patient mit einem Multiorganversagen behandelt. Die Schilderung der Melderin oder des Melders beschreibt ein Gedränge von Geräten um den Patienten, die augenscheinlich die Patientensicherheit in verschiedenen Dimensionen einschränken – Zugänglichkeit von und durch Menschen und an die Technik, Übersicht und Monitoring und letztlich auch der ungestörte Betrieb wesentlicher Geräte sind nicht gewährleistet.
Ich möchte deshalb etwas grundsätzlicher einsteigen.
Was ist heutzutage strukturell für einen Intensivbehandlungsplatz einzuplanen?
Die DIVI hat zu dieser Frage 2022 detaillierte Empfehlungen abgegeben, die in vielen Aspekten sehr hilfreich sind. Eine grundsätzliche Aussage ist: „Die bauliche Gestaltung von Intensivstatio-nen ist nicht nur mit hohen Kosten und Konsequenzen für den Krankenhausbetrieb verbunden, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf das Behandlungsergebnis.“
Die einzelnen Punkte nach DIVI 2022:
1. Einzelzimmer
2. Sichtkontakt des Patienten mit der Außenwelt - Fenstersicht sicherstellen
3. Zugänglichkeit des Patientenbettes von allen Seiten
a. Abstand Fußende -Wand 150 cm
b. Abstand Kopfende - Wand 80-100 cm
c. Abstand Längsseite - Wand 160 cm
4. Geräteanordnungen sollen die Sichtachse des Patienten nicht einschränken
5. Medienversorgung und Befestigung über Normschienen in ausreichender Zahl als Wandver-sorgungssystem oder Ampelsystem
a. 4-5x medizinischer Sauerstoff 5 bar, zwei Versorgungskreise
b. 4x medizinische Druckluft 5 bar, zwei Versorgungskreise
c. 4x Vakuum
d. Ggf. Narkosegasableitung
e. 12x 230 V SV-Wechselstrom (nicht unterbrechungsfreie Sicherheitsversorgung über Notstromaggreat)
f. 8-10x 230 V BSV-Wechselstrom (unterbrechungsfreie Batteriestromversorgung plus Notstromaggregat)
g. Potentialausgleichsanschluß für alle Steckdosen
h. Rufanlage
i. Telefon
j. Mindestens 5 LAN-Anschlüsse für Monitoring, PDMS, Spritzenpumpen, Zusatzgerä-te und Reserve (z. B. Telemedizin)
Die Empfehlung gibt keinen Anhalt über die Zahl vorzuhaltender Infusionstechnik-Dockingplätze. Im vorliegenden Fall waren es jedenfalls deutlich zu wenige. Eine Größenordnung von mindestens 16 Dockingplätzen würde seitens des Autors als notwendig eingeschätzt.
Generell muss eine Einzelbefestigung von Infusionstechnik an Normrohren oder -schienen mit jeweils einzelner Stromversorgung als nicht mehr zeitgemäß gelten. Dies und eine provisorische Ablage auf anderen Flächen dokumentiert letztlich eine unzureichende Vorrüstung des Arbeitsplatzes für den Versorgungsbedarf.
Zur Planung von Intensivbereichen kann zusätzlich die DIN 13080 und die Empfehlung der ARGEBAU (Arbeitsgemeinschaft der Bauministerkonferenz der Länder, zuletzt 2013 aktualisiert) herangezogen werden. Die DIN 13080 verweist auf letztere inhaltliche Empfehlungen, ist aber dar-über hinaus für Ziel- und Raumplanung erforderlich (DIN 13080, Anlage 4).
Auf Seiten der ARGEBAU werden Organisations- und Raummodelle detaillierter vorgestellt. Auf der Ebene des Patientenzimmers werden die oben genannten Abstandsflächen zwischen Bett und Einbauten bzw. Wänden exemplarisch in Grundrissen und anhand damals zeitgenössischer Neubaubeispiele dargestellt. Hier sind lediglich die minimal notwendigen Abstände eingehalten. Die ARGE BAU gibt noch den wichtigen Hinweis, dass die Einsehbarkeit des Patientenbettes selbst auch gewährleistet sein muss. Ein Beispiel einer Wandversorgungslösung (Wandschienenkonzept) wird nicht gezeigt. Mit einer Normierung auf 25 m2 pro Einzelzimmer sind jedoch durchaus innovative Konzepte möglich. Leider ist unbekannt, welche Größe das Patientenzimmer im hier behandelten Fall hat.
Zum Einsatz einer Mehrfachsteckdose im vorliegenden Fall ist noch eine Bemerkung erforderlich: Bei Mehrfachsteckdosen muss ein mit DIN VDE 0100-710 konformes Produkt eingesetzt werden. Konkret bedeutet dies, dass keine für den Privatgebrauch vorgesehenen Produkte eingesetzt werden dürfen – es sein denn, dass der Betreiber eine „Herstellerrolle“ einnehmen möchte. Mehrfachsteck-dosen für Nutzung mit elektrisch betriebenen Medizinprodukten sind unter anderem durch eine stärkere Zuleitung, einen Knickschutz, zusätzlichen Potentialausgleich („Erdung“) und ein Abziehschutz für eingesteckte Gerätestecker gekennzeichnet. Mehrfachsteckdosen stellen allerdings nur eine nachrangige Lösung dar, da sie u.a. in Altbeständen elektrische Risiken erhöhen können und Unübersichtlichkeit bedingen.
Insgesamt sind Umplanung und Umbau im Bestand sowie Neubau zwar ein komplexes Unterfan-gen, fordern aber vor allem die Nutzer, die ihre Arbeitsweise und mögliche Verbesserungen in eine Struktur fassen sollen. Eine überwiegende Fremdplanung von Behandlungsabläufen und -einheiten ist nach Autorensicht und -erfahrung nicht erfolgversprechend. Erfolg verspricht eine intensive Nutzerbeteiligung: Planen sollten die Praktiker ihre Praxis, und die mit Normen und Leitplanken der baulichen Verwirklichung vertrauten Fachplaner sollen unterstützen und das komplexe Werk schließlich geeignet umsetzen.
Wie lässt sich nun das geschilderte räumliche Setting ohne große Eingriffe entschärfen?
Zunächst ist zu empfehlen, den Intensivbehandlungsplatz funktionell zu strukturieren. Hier bietet es sich an, Beatmung zusammen mit der Absaugung, PDMS, Vitaldatenmonitoring und Infusionstechnik jeweils fest einer Seite zuzuordnen. Letztlich sind verschiedene Varianten denkbar. Ein Wandversorgungssystem/Wandschienensystem bietet jedoch weit weniger Variabilität gegenüber einem Deckenversorgungs und -ampelsystem.
Mit dem mutmaßlich geringsten Aufwand verbunden ist eine Anordnung mit Infusionsseite einerseits und einer Beatmungs- sowie Vitaldatenmonitoringseite andererseits. Das PDMS kann auch an einer Zimmerwand angeordnet sein, funktionaler ist eine Zuordnung zu den Bildschirmen von Vitaldatenmonitoring und Beatmung.
Die Installation einer „Infusionsseite“ mit allen Infusionsordnungssystemen an einem Wandversorgungssystem fordert häufig überproportional Platz und erfordert zumeist eine Veränderung der Position des Bettes im Raum auf die „Nicht-Infusionsseite“. Dies schafft dann allerdings auch zusätzlichen Platz auf der Infusionsseite für weitere Geräte wie Hämofiltration.
Da Wandversorgungssysteme oft zu einer relativen Unzugänglichkeit des Patientenkopfes führen, bietet es sich nun an, das Bett von der Beatmungsseite weg schräg in den Raum zu positionieren, um eine relativ bessere kopfseitige Zugänglichkeit herzustellen. Dies schafft in der Regel auch eine verbesserte Sichtachse des Patienten Richtung Fenster oder Tür.
Eine ausreichende Zahl von Dockingplätzen für Infusionstechnik ist in der Prophylaxe gegen Chaos am Bettplatz entscheidend. Je nach Hersteller können Ordnungssysteme weit über 12 Dockingplätze übereinander oder in mehreren Säulen bieten. Eine Dimension unterhalb von 8 Dockingplätzen pro Säule und 16 pro Bettplatz ist aus Erfahrung und Sicht des Autors für High-Care nicht empfehlenswert.
Nachdem nun die Struktur und Patientenzugänglichkeit verbessert sind, müssen nun die Sichtachsen und die Erkennbarkeit wesentlicher Parameter auf Monitoring, Beatmungsgerät und weiteren Therapiegeräten sichergestellt sein.
Eine räumliche Zuordnung von Monitoring und Beatmungsgerät einschließlich der Absaugung in Griffweite z. B. am Beatmungsgerät ist ein basaler Ansatz.
In unserem Fall ist fahrbare Beatmungstechnik vorhanden. Während das Vitalzeichenmonitoring durch eine ausreichend hoch angesetzte Montage einfach zu handhaben ist, kann die Sichtbarkeit des Beatmungsgerätemonitors durch
- eine angepasste Position des Gerätes in der Hauptsichtachse auf den Patienten erreicht wer-den,
- durch eine Übertragung von Beatmungsparametern vom Beatmungsgerät auf das Vitalzeichenmonitoring sichergestellt werden (dies ist im Grundsatz auch zwischen verschiedenen Herstellern von Vitaldatenmonitoring und Beatmungsgeräten möglich),
- oder mit einem nachträglichen Einbau in Wand Nähe mit dann abgesetztem Gerätemonitor- und Bedienteil zu ermöglichen.
Um Ordnung und Betriebssicherheit an einem gut strukturierten Bettplatz abschließend und dauerhaft sicherzustellen, sollten nicht mehr oder selten zu verändernde Medienleitungen fixiert und optisch ansprechend verlegt werden. Kabelkanäle und -bündel sind hier eine mögliche Lösung. Welche weiteren Folgen sind zu bedenken? Mit einer Änderung von Abständen des Patienten zu Geräten müssen ggf. in ihrer Länge angepasste Infusions- und Infusionspritzenleitungen, Vitalzeichenmonitoringkabel und Beatmungssysteme eingeplant werden.
Um eine örtlich und funktionell passende Lösung zu finden, ist empfiehlt sich ein Betrieb eines Prototyps. Alle genannten Aspekte der „Umbauanleitung“ sollten der Patientensicherheit und dem Patientenkomfort dienen. Nur ein übersichtlicher und funktionaler Bettplatz kann Patientensi-cherheit und -komfort gleichzeitig gewährleisten.
Die Analyse aus Sicht des Juristen
Aus rechtlicher Sicht muss bei der Schilderung dieser Situation an zwei Aspekte gedacht werden: Eine mögliche Haftung des Krankenhausträgers wegen Organisationsverschuldens hinsichtlich der apparativen Ausstattung des Intensivzimmers einerseits, und eine mögliche Haftung des Behandelnden aus § 630h Abs. 1 BGB für ein sog. voll beherrschbares Risiko andererseits.
Die Analyse aus Sicht des Anästhesisten beinhaltet bereits in der Anfangsfrage nach der Statthaftigkeit einer High-Care-Versorgung in dem vom Einreicher detailliert geschilderten Einzelzimmer die Basis der juristischen Beurteilung: Ausgangspunkt ist die gesetzliche Grundlage in § 630a Abs. 2 BGB, wonach die Versorgung des Patienten nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehen-den, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist. Der Standard bezieht sich dabei nicht nur auf die personelle Besetzung, sondern auch auf die apparative und räumliche Ausstattung im Zusammenhang mit der Behandlung des Patienten.
Wie die Bundesregierung in der Begründung zum sog. Patientenrechtegesetz, mit dem u.a. § 630 a BGB eingeführt wurde, erläutert, obliegt es den ärztlichen Fachgebieten, den in ihrem Fachgebiet geltenden Standard insbesondere etwa durch Leitlinien – nichts anderes gilt aber auch für sonstige Empfehlungen und Verlautbarungen – zu definieren. Diese fachlichen Verlautbarungen haben fachliche und rechtliche Bedeutung, auch wenn sie keinen Gesetzescharakter haben wie z.B. die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die in der anästhesiologischen Analyse genannten Empfehlungen der DIVI zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen stellen solche Standards dar. Eine Abweichung von den Empfehlungen impliziert nicht per se einen Pflichtenverstoß, der zur Haftung wegen Organisationsverschuldens führt. Doch wird der Krankenhausträger bei Ein-tritt eines Patientenschadens und jedenfalls bei Einleitung eines Verfahrens wegen Schadensersatzes und Schmerzensgeldes darlegen und beweisen müssen, warum er trotz Abweichung von den Standards des Fachgebiets davon ausgehen durfte, dass eine ordnungsgemäße, den Anforderungen des § 630a Abs. 2 BGB entsprechende Patientenversorgung möglich sei.
Wie ausgeführt hat der Krankenhausträger neben der Bereitstellung, Überwachung und Kontrolle des qualifizierten Personals also auch den apparativen Standard entsprechend dem jeweiligen Stand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und ärztlicher Erfahrung zu gewährleisten, der zur Erreichung des Behandlungszieles erforderlich ist.
Darüber hinaus spiegeln die zitierten DIN-Vorschriften und fachlichen Empfehlungen wie die der ARGE-BAU den Stand der Technik wider. Deren Anwendung ist zwar freiwillig, doch bietet die Einhaltung dieser Normen eine gewisse Rechtssicherheit. Denn im Rechtsstreit wird ein Richter der Norm regelmäßig den "Beweis des ersten Anscheins" zubilligen. Gerichte sehen DIN-Normen als allgemein anerkannte Regeln der Technik an.
Eine Haftung des Krankenhauses für Fehler, die durch eine mangelhafte Organisation und Koordination der Behandlungsabläufe entstehen, kann auch in der unzureichenden räumlichen Ausstattung und Bereitstellung von medizinischen Geräten begründet sein. Will der Krankenhausträger im Rahmen seines Versorgungsauftrages eine High-Care-Versorgung anbieten (und abrechnen), muss er die gesetzlichen und fachlichen Bedingungen bei der Planung des Krankenhausbetriebes und dem laufenden Betrieb beachten und einhalten.
Der Schutz des Patienten obliegt dem Krankenhausträger auch in Bezug auf eine Schädigung, die diesem durch die Einrichtung oder bauliche Gestaltung des Krankenhauses, durch eingesetzte Geräte, Apparate, Möbel, sanitäre Einrichtungen oder auf Zu- und Abgängen droht (sog. Verkehrssicherungspflicht). Die geschilderte Reihung der medizinischen Geräte, die unzureichende Steckdosenversorgung, die eingeschränkte Sicht u.a. auf die Perfursoren lässt Zweifel an einem ausreichenden Schutz in diesem Sinne aufkommen. Wurde die konkrete Ausstattung von den Medizinprodukte-verantwortlichen und den für die Arbeitssicherheit verantwortlichen Mitarbeitern geprüft und frei-gegeben? All dies sind Punkte, an die ein erfahrener Medizinrechtler bei Vorbereitung eines Schadensersatz- und Schmerzensgeldprozesses denken und einhaken wird.
Darüber hinaus ist das sog. voll beherrschbare Risiko nach den Beweisregeln des § 630h BGB zu bedenken. Danach wird ein Fehler des Behandelnden vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Im Arzthaftungsrecht finden die Grundsätze einer Beweislastverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen dann Anwendung, wenn feststeht, dass die Schädigung des Patienten aus einem Bereich herrührt, dessen Gefahren ärztlicherseits voll beherrscht werden können. Kennzeichnend für diese Risiken ist, dass sie durch den Klinik- oder Praxisbetrieb gesetzt werden und durch dessen ordnungsgemäße Gestaltung ausgeschlossen werden können und müssen. Der Hauptanwendungsbereich dieser Beweisregel umfasst also den Einsatz medizinischer Geräte, den technisch-apparativen Bereich der technischen Vorbereitung und Durchführung für eine ärztliche Behandlung. Die Grundsätze des voll beherrschbaren Risikobereiches werden nicht auf sämtliche Bereiche des Krankenhausbetriebes ausgedehnt, sondern nur, soweit sie der unmittelbaren Einwirkung des Krankenhauspersonals unterliegen. Auch wenn die Planung eines Intensivzimmers primär dem Krankenhausträger obliegt und nicht dem ärztlichen/pflegerischen Personal, so sind es doch die Behandelnden, die in der täglichen Arbeit damit konfrontiert sind und folglich umgehend Beanstandungen, wie sie in dem vor-liegenden Fall geschildert werden, verlässlich dokumentiert an Vorgesetzte und die Geschäftsführung weiterleiten müssen, um sich gegen spätere Haftungsvorwürfe wehren zu können. Denn in Fällen des voll beherrschbaren Risikos gilt zugunsten des Patienten eine Verschuldens-/Fehlervermutung mit der Folge, dass es Sache des Behandlers ist, diese Vermutung zu widerlegen.
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Strukturieren Sie den Arbeitsplatz nach „Themen und Anwendungen“
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Statten Sie den Arbeitsplatz so aus, dass keine provisorischen Lösungen erforderlich werden
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Halten Sie Sichtachsen frei
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Planen Sie mit: Aktiv, kreativ und detailliert und lassen Sie sich von den Fachplanern helfen
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Weiterführende Literatur:
Autoren:
Prof. Dr. med. T. Birkholz, Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Leopoldina Krankenhaus Schweinfurt
Rechtsanwältin A. Pfundstein, Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten, Nürnberg
Prof. Dr. med. A. Schleppers, Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten, Nürnberg
Dipl.-Sozialw. T. Rhaiem, Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten, Nürnberg
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